Kapitel 8

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»Wie oft willst du das Fenster noch putzen?«, hörte ich Carina hinter mir fragen. Ich blickte durch die Fensterscheibe, die mittlerweile so sauber war, dass man fast gar nicht erkannte, dass dort ein Fenster war. Ich ließ meinen Arm sinken und seufzte; es klang ja so verzweifelt, dass es fast armseelig war. Ich musste mich echt zusammenreißen, so konnte das nicht weiter gehen. Ich fuhr mir mit einer Hand über mein Gesicht und versuchte mich somit auch halbwegs zu fassen. Mit einem Lächeln drehte ich mich zu Carina und konnte mir bildlich vorstellen, wie verzweifelt dieser Versuch aussehen musste. Carina machte nur eine Kopfbewegeung in Richtung Küche.

»Hier, eine Limonade ist immer gut und erfrischend.«, sie stellte das Glas vor mich und ich lehnte mich an die Kücheninsel.

Carina musste irgendeine geheime Gabe besitzen, die es ihr ermöglichte, direkt zu erkennen, wenn etwas faules im Busch war. Ich meine blind war ich ja nicht gerade, ich erkannte wenn Lidia bedrückt oder traurig war, aber bei Carina, war es so, dass sie mich kaum beachtete während ich arbeitete (das hatte ich jedenfalls immer gedacht). Trotzdem hatte es nicht lange gedauert, bis es ihr aufgefallen war, immerhin war ich erst vor einer Viertelstunde gekommen.

»Ich warte jetzt einfach bis du mir sagst, was dich so bedrückt, dass du meine Fenster beinahe 'wegputzen' wolltest.«, brach Carina die Stille, die entstanden war, während ich mich meinem Getränk witmete.

Sie war keine Freundin oder jemand, der sich mit meinen Problemen rumschlagen musste, sie war immer noch meine Arbeitgeberin, wobei ich sagen konnte, dass wir nicht das typische Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältniss hatten und ich sie doch schon sehr mochte. Wir hatten uns auf Anhieb super verstanden und sie war mir immer mit sehr viel Respekt entgegengekommen.
Ich hatte schon das Gefühl, dass ich sie zu sehr in meine privaten Angelegenheiten einband, sodass es mir unangenehm war, hier wieder stehen zu müssen und ihr zu sagen, was mir die ganze Zeit im Kopf herumschwirrte. Sie war niemand, der sich meine Probleme anhören sollte und ich war niemand, der sich aufdrängen wollte oder sollte. Immerhin war ich hier zum Arbeiten angestellt und nicht bei irgendwelchen Therapiestunden.

»Es ist nichts.«, sagte ich deshalb, darauf bedacht das Thema weitestgehend zu vermeiden. Ich mühte mir ein Lächeln ab, das wenigstens halbwegs überzeugend wirken sollte. Mit einem Stirnrunzeln vermittelte sich mir klar und deutlich, wie sehr sie meinen Worten keinen Glauben schenkte. Stattdessen hob sie eine Augenbraue an und musterte mich teils skeptisch, teils auffordernd. Man, was war mit dieser Frau nur los? Nochmals fragte ich mich welche mystischen Kräfte sie besaß, die mich dazu brachten aufzugeben und mit der Sprache rauszurücken. Ein Seufzen unterdrückte ich aber nicht, um zu demonstrieren, wie sehr es mir missfiel, wie schnell sie mich knackte. Dann erzählte ich ihr von der Sommergala, der Möglichkeit, die sich mir dort bot und den Bedenken, die ich hatte.

»...Ich weiß jetzt einfach nicht, was ich tun soll. Ich-«, ich verstummte und hielt verzweifelt die Hände in die Luft. Ich blickte zu Carina, die mich verwirrte, indem sie mich nur anlächelte. Ich zog meine Augenbrauen zusammen, da ich nicht verstand, was dieses Lächeln zu bedeuten hatte. Es war ein liebevolles Lächeln, dass mir aber auf eine schräge Art und Weise vermittelte, was für ein Dusel ich doch war. Carina schien meine Gedanken lesen zu können (was meinen Verdacht nur bestätigte, dass sie übernatürliche Kräfte besaß) und erklärte die Bedeutung ihres Lächelns.

»Hija, dein Kopf sagt dir, dass du rational handelst, wenn du ablehnst, damit du arbeiten kannst und deine Familia unterstützen kannst, richtig?«, ich nickte sobald sie ihre Festellung ausgesprochen hatte und war gespannt, was noch folgen sollte.

»Aber dein Herz sagt dir, dass du deinen Traum verwirklichen sollst und es versuchen sollst, stimmt's?«, wieder nickte ich und führte dabei das Glas an meine Lippen.

El precio del amor - Der Preis der Liebe #TeaAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt