Kapitel 26

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»Ich sage es ein letztes Mal.«, sein Tonfall lässt mir das Blut in den Adern gefriern, »Ich werde mich nicht wiederholen.«

Ich bin wie erstarrt. Ich kann mich nicht rühren und ich fühle mich wie in einem dieser Albträume, in denen ich weiß, dass ich mich von der Stelle rühren muss, mich aber keinen Millimeter bewegen kann. Egal wie sehr ich nicht bemühe, es geht nicht. Der Befehl, der von meinem Gehirn zu meinen Beinen gehen sollte, kommt nicht an. Die Synapsen streiken und ich spüre, wie sich kalter Schweiß an meine Hautoberfläche kämpft.

Ich spüre alle Blicke auf mir und obwohl es mucksmäuschen Still ist, würde ich mir am liebsten die Ohren zuhalten. Das Blut rauscht mir in den Ohren, mein Herz schlägt mir bis zum Hals.

»Lárgate!«, Verschwinde!, schreit der kolerische aus voller Kehle.

Ich zucke heftig zusammen und sehe, dass er immer roter im Gesicht wird und die Ader an seinem Hals immer dicker. Ich glaube sogar, dass er wirklich kurz davor ist zu explodieren- wortwörtlich.

Mein Kopf ist überfüllt und innerhalb weniger Sekunden schießen mir die Folgen seiner Worte durch den Kopf. Ich spüre wie meine Augen anfangen zu schmerzen und auch der Kloß in meinem Hals schmerzt.

Ich spüre Valentinas warme Hand auf meinem Rücken und obwohl ich weiß, dass es einenberuhigende Geste sein soll, zucke ich erneut zurück.

»Lárgate!«

Felipe kam nun hinter dem Tresen hervor und stellte sich nun schützend vor mich und wollte etwas sagen, doch ich machte mich so schnell ich konnte aus dem Staub. Mit zittrigen Beinen lief ich hinter den Tresen direkt in der Personalbereich und schnappte mir meine Tasche, nachdem ich mich meiner Schürze entledigt hatte und sie in einer Ecke liegen gelassen habe. Dann war ich auch so schnell ich konnte aus dem Laden verschwunden.

Ich hatte Valentina und Felipe noch meinen Namen rufen hören, doch nichts konnte mich davon abhalten diese Hölle hinter mich zu lassen. Sobald ich beinahe stolpernd an die Frische Luft gekommen war, lief ich schnellen Schrittes weiter. Die Passanten, die an mir vorbei liefen, sahen mich komisch an.

Kein Wunder, meine Haare hingen mir mittlerweile wild im Gesicht und ich atmete, wie ein Walross. Wie eine Verrückte lief ich über die Straßen. Sobald ich die Tür des Waschsalons geöffnet hatte und die Geräuschkulisse der Straße hinter mir gelassen, trat ich an meine Waschmaschiene und hielt inne.

Ich musste mich abstützen, da ich das Gefühl hatte, meine Beine würden mich sonst nicht halten. Und das taten sie wirklich nicht, denn ich spürte, dass mich meine Kräfte immer mehr verließen. Schließlich ließ ich mich auf den Boden sinken und lehnte mich an den Toplader.

Ich starrte auf die Waschtrommel der Waschmaschiene, die vor mir stand und spürte, wie mein Kopf genau wie die ganzen Maschienen anfing zu schwirren. In diesem Moment wurde das immer lauter werdende Rauschen in meinen Ohren stärker, mein Atmen heftiger und mein Herzschlag immer schneller, der Schweiß lief mir die Stirn und den Nacken hinunter und bei mir brachen alle Dämme.

Ich fing so stark an zu Schluchzen, dass ich zitterte. Die Tränen verließen meine Augen, liefen meine Tränen hinab und vermischten sich mit dem Schweiß, ehe sie auf meinen Brustkorb fielen und mein T-Shirt benässten.

Obwohl ich immer schwächer wurde und all meine Kräfte dabei waren mich zu verlassen, steigerte ich mich immer weiter hinein. Mein Hals schmerzte, meine Augäpfel brannten, aber was am meisten schmerzte, war mein Herz.

Es war nicht nur die Tatsache, dass Julio mich gefeuert und mich runtergemacht hatte, es war auch nicht das dadurch fehlende Geld, wie ich zuerst dachte, es war schlichtweg alles, was in der letzten Zeit passiert war.

Ich fragte mich, wieso das alles geschehen war und was das zu bedeuten hatte. Hatte ich nicht schon genug, worum ich mich kümmern musste, war das nicht genug?

Immer weiter in den Abgrund getrieben verließen mich nach einigen Minuten die Kräfte. Meine Gliedmaßen wurden schlapp und ich fühlte mich wie eine leere Hülle, doch ich hatte noch so vieles in mir, das raus musste.

Dann setzte der Schwindel ein und es wurde immer schlimmer, obwohl ich mich kaum bewegte. Ich spürte, wie die Ohnmacht sich anschlich und es dauerte auch nicht lange, bis sich mich völlig einnahm und ich auf dem Boden des Waschsalons das Bewusstsein verlor.

***

Nichts. Einfach nur ein dunkles Nichts.

Das war es, was mir als erstes durch den Kopf schoß, als ich meine Augen langsam öffnete. In ersten Moment dachte ich, dass es bereits Abend war und ich in meinem Bett war- Zuhause. Aber wie ich erkannte, lag ich im Krankenhaus. Erneut.

Ich war Ohnmächtig geworden und fühlte mich wie ein Häufchen Elend.

»Dios! Lucíana!«, hörte ich eine leise Stimme. Ich wandte meinen Blick zu Samuel, der am Fenster gestanden hatte und nun auf mich zukam.

Meine Augäpfel schmerzten bei jeder Bewegung und meine Augenlider fühlten sich schwer an. Samuel beute sich zu mir, nahm mein Gesicht in seine Hände und drückte mir einen langen Kuss auf die Stirn. Ich schloß meine Augen und augenblicklich fühlte ich mich besser.

»Samuel.«, sagte ich leise und zog ihn zu mir, als er sich von mir abwenden wollte.

»Ich hole Mamà und Papà.«, erklärte er, doch ich schüttelte nur schwach den Kopf.

»Nein, bleib.« Ich wollte nicht, dass er ging, ich brauchte ihn bei mir.

»Kannst du sie nicht anrufen oder so?«, fragte ich nun und atmete erleichtert aus, als er nickte.

»Natürlich. Wenn du das so möchtest.«

Diesmal nickte ich und zog ihn zu mir. Er schob sich einen Stuhl ans Bett und lehnte sich zu mir, sodass ich seine Hand halten konnte.

Während er unsere Eltern anrief und ihnen erklärte, dass ich aufgewacht war, beobachtete ich meinen Bruder und konnte nicht anders, als schwach zu lächeln. Ich war so unglaublich froh, dass er da war und ich noch ein wenig Zeit mit ihm verbringen konnte. Ich hatte ihn so unglaublich vermisst und es brach mir das Herz, wenn ich nur daran dachte, dass er am Mittwoch wieder weg musste, aber es war besser so. Immerhin hatte er gute Aussichten auf eine sorgenfreie Zukunft.

»Ich habe dich vermisst.«, sagte ich dann schließlich.

Samuel hob den Blick und sah mich lächelnd an.

»Ich dich auch, Nena«, er strich mir sanft über die Wange, »Ich dich auch.«

Die letzten Worten waren nicht mehr, als ein Flüstern, denn ich wusste, dass es auch ihm nicht so gut dabei ging, so weit weg von seiner Familie zu sein. Dass er mich Kleines genannt hatte, erwärmte mein Herz und ich fühlte mich immer besser.

Sobald die Tür geöffnet wurde und meine Mutter ins Zimmer trat oder eher gestürmt war, wurde es wieder unruhig im Zimmer. Die Besorgnis meiner Mutter traf mich augenblicklich und ich fühlte mich wieder schlecht. Sobald sich mich in den Arm genommen hatte, ging es mir augenblicklich besser. Stürmisch, wie sie war, hatte sie mein ganzes Gesicht geküsst und mich anschließend inspiziert.

Mein Vater, der ganz ruhig und leise hinter ihr ins Zimmer gekommen war, hatte sie erstmals ein wenig gebremst und ein wenig beruhigt. Dann war er zu mir getreten und hatte mi, wie Samuel, einen Kuss auf die Stirn gegeben.

Obwohl er so ruhig war, konnte ich erkennen, dass auch er von Besorgnis geplagt war.

»So und jetzt erklär uns mal was passiert ist, mein Kind.«, sprach mein Vater und schob sich ebenfalls einen Stuhl ans Bett, während meine Mutter sich an die Kante meines Krankenbettes setzte.

Abwartend sahen mich alle an.

El precio del amor - Der Preis der Liebe #TeaAward2018Where stories live. Discover now