Kapitel 89

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Sam p.o.w

Roman setzt sich auf mein Bett und mustert mich gespannt, während ich Panik bekomme.
Ich werde ihm jetzt alles erzählen...von Anfang an.
Ich werde alles preisgeben, was ich all die Jahre versucht habe zu verdrängen.
Ich krame weiter in meiner Tasche rum, bis ich schließlich die Dose mit den alten Fotos finde. Mit dieser setze ich mich zu Roman.
Ich atme noch einmal tief ein und aus, dann öffne ich sie und hole das erste Bild heraus.

"Das sind Denni, Mik und Ich. Ich war damals 14 Jahre alt, Mik 15 und Denni war der älteste von uns allen, er war schon 17. Wir waren alle wie eine Familie, weißt du. Die beiden kannten mich seit meiner Geburt, und wir waren unzertrennlich...aber das weißt du ja schon. Sie haben ebenfalls getanzt und zusammen haben wir alle geplant, bei der größten Tanzmeisterschaft teilzunehmen. Aber dann kam der Unfall. Ein Geisterfahrer war auf der Autobahn unterwegs und ist uns entgegen gefahren. Ich habe dir erzählt, wie es war. Und ich möchte mich da wirklich nicht wiederholen."

Eine kurze Stille entsteht, in der ich mir meine Tränen wegstreiche und Roman seinen Arm um mich legt.

"Ich bin in einem Krankenhaus aufgewacht. 'Du hast es überlebt' haben sie zu mir gesagt. Als ich nach Mik und Denni gefragt habe hat meine Mutter angefangen zu weinen. Sie hat den Kopf geschüttelt und ist weinend rausgerannt. Dann war ich alleine und zum ersten mal hatte ich das Gefühl, niemanden zu haben. Sie waren weg. Meine Schutzengel, die mein Leben lang bei mir waren, wurden mir genommen. Ich war am Boden zerstört, ich habe aufgehört zu tanzen, zu essen, und zu reden. Ich habe mich in meinem Zimmer verschanzt und geweint. Es war ein riesengroßes Loch in meinem Herzen...und das ist es immernoch. Und es vergeht kein Tag seitdem, an dem ich nicht an sie denke.
Ich bin in ein tiefes Loch gestürzt.
Und niemand hat es gemerkt...hah, ich habe es ja selber nicht mal bemerkt! Bis ich irgendwann taub war, und endlich wieder fühlen wollte. Und was macht man in so einer Situation? Richtig, man schraubt seinen Spitzer auseinander, und ritzt sich den Arm auf. So ging das Monate.
Ich habe einmal versucht mich umzubringen, aber es hat nicht funktioniert, im Endeffekt habe ich mich nicht getraut.
Bis dann endlich eines Tages Jason kam, mein Retter in Not. Er hat mich erwischt, und mir ins Gewissen geredet. Ohne ihn und meine Freunde hätte ich mich umgebracht. Und dieses mal wirklich, denn Jason hat mich genau in dem Moment erwischt, als ichs tun wollte. Und dann habe ich realisiert, dass ich krank bin und hilfe brauche. Dass das so nicht weitgehen kann, dass ich aufhören muss, alles in mich reinzufressen. Also bin ich zusammen mit ihm zu einem Psychologen gegangen, der mir dann auch gesagt hat, was mit mir los ist:
Ich habe schwere Depressionen und Angstzustände.
Und das wars dann erstmal.
Ich habe mit meinen Eltern geredet, und wir waren bestimmt bei zehn Psychologen, bis ich eine Therapie angefangen habe. Ich fand es so ätzend damals, immer mt jemanden reden zu müssen, Tabletten zu schlucken die a) meine Gefühle runterschraubten, b) damit ich wieder richtig schlafen konnte und c) mich wieder auf mein Leben konzentrieren konnte.
Aber ich tat es für Jason, meine Familie, meine Freunde und für Mik und Denni.
Das dauerte ein Jahr lang.
Ein Jahr, in dem ich so viel durchgemacht habe...
In dem die Wunden und Narben alle verheilten. Naja, von manchen sieht mans noch...sie bleiben für immer.
Jetzt weißt du vielleicht auch, warum Jason und ich uns so nahe stehen. Er hat unglaubliche Angst davor, dass ich irgendwann einen Rückfall bekomme.
Aber genau das ist passiert.
Ich bin rückfällig geworden."

Stumm habe ich meinen Ärmel hochgezogen und zeige die alten Narben.
Auch die, die ich vom Unfall habe und die an der Pulsschlagader am rechten Handgelenk, da, wo Jason mich gerettet hat.
Roman streicht vorsichtig über meinen Arm.
Er sagt nichts, er hört mir stumm zu, bis ich fertig bin.

"Ich weiß nicht wann es war, aber es war, als ich schon hier war. Die Depressionen haben sich wieder angeschlichen, aber ich wollte es nicht wahrhaben.
Negative Gedanken haben mich immer und immer mehr geplagt, ich habe angefangen alles zu  hinterfragen.
Das war schließlich nicht ich!
Dieses Mädchen, dass ich sehe wenn ich in den Spiegel gucke, bin nicht ich! Alles nur Fassade und Maskenspiel...
Und dann kam der Tag, an dem ich wieder mit dem ritzen angefangen habe. Es tat mir im Herzen weh, denn ich hatte es allen versprochen, es nie wieder zu tun. Und ich habe sie enttäuscht. Ich bin immer tiefer ins Loch gerutscht, niemand konnte mein Verhalten verstehen...und dann kam der Tag, an dem meine Eltern gestorben sind. Das hat mir nochmal den Rest gegeben.
Und jetzt hock ich hier auf dem Bett und weiß nicht, was ich tun soll...denn etwas macht mich immer noch so fertig.
Undzwar die Liebe zu einem Jungen, der sie nie erwidern könnte. Ich mein, wer liebt schon ein Depressives Mädchen?"

Ich sehe ihn zweifelnd an.
Das wars, ich bin fertig.
Ich habe ihm meine komplette Lebensgeschichte erzählt und ich hoffe so sehr, dass er mich nicht fallen lässt.
"Sam", sagt er und sieht mir fest in die Augen,"ich werde für immer bei dir bleiben, für dich da sein und zu dir stehen. Denn du...du bist in meinen Augen das perfekte Mädchen. Du bist hübsch, intelligent und bist nicht auf den Mund gefallen. Und ich werde dich nicht gehen lassen, denn du kannst nichts dafür, dass du Depressiv bist...das dir all dieser scheiß passiert. Und ich beantworte dir deine letzte Frage: Ich. Ich werde dich lieben. Ach, was red ich denn da, ich liebe dich schon so lange! Und ich werde dich für immer beschützen...versprochen."

Ich sehe Roman mit Tränen in den Augen an. Eine schönere Antwort hätte ich mir nie ausmalen können...er lässt mich nicht allein!
Und vorallem:
Er liebt mich!
Mich!!
"Und ich hoffe doch sehr.. das ich dieser Junge bin, oder?"
Roman zieht mich leicht lächelnd noch näher zu sich.
Ich nicke leicht.
"Ich liebe dich Roman...und ich danke dir. Für alles, was du für mich tust."
Die Tränen laufen über mein làchelndes Gesicht.
Ja, ich lächele.
Zum ersten mal seit so langer Zeit, wieder ehrlich.
Unsere Gesichter kommen sich näher und Roman wischt mir vorsichtig mit seiner Hand meine Tränen weg.
Bis sich schließlich unsere Lippen treffen und zu dem schönsten Kuss verschmelzen, den ich je hatte und haben werde.
Und für diesen einen Moment bin ich in dem ganzen Chaos um mich herum glücklich.

Aber das meine Narben mich immer wieder an die Schattenseite meines Lebens erinnern werden...damit werde ich leben müssen. Und mit Roman an meiner Seite, bin ich starker.
Denn; Narben bleiben für immer.




Jz sagt mir bitte, dass ich nichts vergessen habe.
Wär sonst ziemlich blöd xD
Ich hoffe das (lange) Kapitel hat euch gefallen und ihr könnt nun etwas klarer in Sams Leben blicken xD
Ich wünsch euch noch was &' wir sehn uns! ^^

Narben bleiben für immerWhere stories live. Discover now