Kapitel 128

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Es ist Abend.
Roman ist vor einer Weile gegangen, ich musste ihn regelrecht dazu zwingen nachdem er mir erzählt hat, dass er mir nicht von der Seite gewichen ist.

Ich hänge derweil meinen Gedanken hinterher.
Hinterfrage alles und jeden.
Ich will verdammt nochmal endlich raus, raus aus diesem verdammten Loch.
Aber ich habe auch so große Angst, dass ich wieder mit all den Dingen von damals konfrontiert werde, und das pack ich nicht.

Auf einmal klopft es leicht an der Tür und eine Krankenschwester kommt herein.
Sie bringt das Abendessen, mittlererweile nervt es aber schon ein wenig.
Denn alle zehn Minuten kommt hier jemand rein um sicher zu gehen, dass ich mir nicht schon wieder was antue.
Hier gibts keine Gardinen oder spitze Sachen.
Auch keine Gläser oder ähnliches- ich könnte es ja zerbrechen und mich schneiden.

Sie stellt das Tablett vor mich auf diesen Tisch, und hält mir dann einen Pappbecher mit Tabletten hin.
"Was ist das", frage ich misstrauisch.
"Das sind deine Tabletten, die du regelmäßig nehmen musst", sagt sie und lächelt mich aufmunternd an.
"Das sind einmal Anti-Depressiva, Schlafmittel und Beruhigungsmittel."
"Das Zeug können sie selber nehmen, dass schluck ich ganz bestimmt nicht!!", stelle ich klar fest.
Als ob ich mich hier von denen mit Tabletten vollpumpen lasse!
"Du musst aber, es ist sehr wichtig für deine Gesundheit u-"
Ich unterbreche sie, indem ich ihren Arm wegschlage, den sie auf meine Schulter legt.
"Fassen Sie mich nicht an."

"Ist schon gut Klara, ich mach das schon.", höre ich dann eine Stimme sagen und sehe auf.
"Oh Chef! Nagut, wie Sie meinen."
Und damit verlässt sie das Zimmer und der "Chef" kommt zu mir.
"Ich bin Dr. Doofenshmirtz, ich darf doch bestimmt Sam sagen, oder?"
Ich schüttele seine Hand, die er mir entgegen nimmt.
"Was für eine Ehre", sage ich mit einem deutlich hörbaren sarkastischen Unterton in meiner Stimme.

Und dann beginnt er auf mich ein zu reden.
Irgendwas von "Ich verstehe wie du dich fühlst", "Was du alles durch machst", "der Tod deiner Eltern", "deine Depressionen".
Doch ich höre ihm nicht zu sondern denke über andere Dinge nach.
Wie zum Beispiel, warum man runde Pizzen in viereckigen Kartons packt, sie aber dann doch zum Essen in dreieckige Stücke schneidet O.o

"...und zum Schluss möchte ich nur sagen, dass das beste für dich eine Therapie wäre in einer geschlossenen Pyschatrie."
Das ist der Moment, in dem ich aufzucke.
Entsetzt schüttele ich den Kopf.
"Niemand kriegt mich in eine Psychatrie!", rufe ich hysterisch.
"NIEMAND!"

Benommen wache ich auf.
Zu meiner rechten sitzt Johanna, die mir über den Kopf streichelt.
"Schön, dass du wach bist."
"W-was ist passiert?", frage ich verwirrt und nehme dankend den Becher Wasser an.
"Du hattest eine Panikattacke und sie haben dir dann Beruhigungsmittel gegeben."
Ich nicke nur.
Und dann sieht mich Tante mit genau dem gleichen Blick an, mit dem mich meine Mum mich immer angesehen hat.
Damals, als sie sich Sorgen um mich machte.

Ich falle ihr um den Hals und Johanna streicht mir über den Kopf.
"Meine Sam, meine kleine Sam...es wird alles gut, vertraue mir."
Ich nicke und klammere mich an ihr fest.
"Ich will das nicht mehr, ich will raus aus diesem Loch! Ich will endlich wieder die Farben sehen und die Wärme spüren! Ich will dieser...dieser Stimme die Stirn bieten und nicht schwach sein.", sage ich leise.
Sie nickt leicht.
"Ich habe dich bei einem Psychologen angemeldet. Bevor du ausrastest, er ist ein sehr guter Freund von mir, und er ist wirklich sehr gut in seinem Gebiet. Du würdest für ein paar Wochen dort hineinziehen, zusammen mit anderen Jugendlichen. Bitte, lass uns dir helfen."
"Na gut... Aber nur, wenn Roman mich besuchen darf."

Narben bleiben für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt