Kapitel 129

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*ein paar Wochen später*

Ich packe die letzten Sachen in die Reisetasche.
Johanna würde mich gleich abholen und direkt hinfahren, alle meine Sachen hat sie bereits dort hin gebracht.
Heute ist der Tag, an dem ich in eine geschlossene Psychatrie eingewiesen werde.
Und alles in mir sträubt sich dagegen.
In der geschlossenen darf man nichts.
Zum Beispiel darf man Deo, Haarspray oder so nur unter Aufsicht benutzen- genau so, beim Beine rasieren.
Als ob ich unter Aufsicht einer fremden Person einfach so meine Beine rasiere!!
Da ich auf einer Jugendstation bin, ist mein Laptop und Handy verboten, laut meiner Tante dürfen wir aber ab und zu an unser Handy, außerdem soll es dort eine Telefonzelle oder so geben.
Toll.
Und da ich ja Suizidgefährdet bin, werden mir höchstwahrscheinlich Gürtel und Schnürsenkel weg genommen, Musik darf ich nur unter Aufsicht hören; ich könnte mir ja was mit den Kopfhörern antuen.

Pff, die haben doch alle keine Ahnung.
Wie es mir geht.
Mag sein, vielleicht geht es mir ein bisschen besser durch die Psychologische Betreuung hier im Krankenhaus.
Aber das wars auch.
Meine Arme schmerzen immer noch, die Narben würden laut dem Doktor zwar verblassen, aber nie wirklich verschwinden.
Juhu, da hab ich dann ja etwas, an das ich mich für ewig dran erinnern kann!

Ich werde aus meiner Gedankenwelt gerissen, als sich plötzlich zwei Arme um mich schlingen.
Erschrocken zucke ich auf, aber entspanne mich sofort wieder.
Ich drehe mich zu Roman um und lächele ihn gezwungen an.
"Hör auf mit dem Fake Smile", sagt er leise und sieht mir intensiv in die Augen.
"Wenn du dich nicht danach fühlst, zu lächeln, dann tu es auch nicht."
Ich nicke und starre zurück in seine blauen Augen.
"Wir werden uns lange nicht sehen", sage ich leise.
Er nickt und lehnt dann seine Stirn an meine.
"Aber trotzdem...es ist für dich, deine Gesundheit, für uns. Wenn wir uns wiedersehen, wird alles wieder gut sein. Versprochen. Aber du musst mir auch was versprechen."
Ich nicke leicht.
"Versprich mir, dass du dir helfen lässt. Das du die Psychologen an dich ran lässt...lass dich bitte auf die Therapie ein."
Als Antwort lehne ich mich weiter vor und küsse ihn.
"Ich tue alles, damit wir eine normale Beziehung führen können."
"Du sollst es aber für dich machen."
"Ich weiß...aber du bist der Grund, warum ich überhaupt eingewilligt habe. Ich will wieder schöne Sachen mir dir unternehmen, und nicht immer an diese scheiße denken."
Roman nickt und schließt dann seine Arme um mich.
"Ich werde dich vermissen."
"Ich dich auch...wir telefonieren so oft wie möglich, ja? Und sobald ich auf der offene Psychiatrie bin, treffen wir uns, okay?"
Er nickt und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
Ich seuftze leise auf und klammere mich noch mehr an Roman.
Wir müssen uns lösen, als Johanna den Raum betritt und augenblicklich verschwindet die Wärme und die Kälte nimmt wieder besitzt von mir.

"Auf eine gute Zusammenarbeit, und dass du sich hier wohl fühlst!"
Der Arzt schüttelt mir die Hand und lässt mich dann alleine in meinem neuem Zimmer.
Ich setze mich aufs Bett und sehe mich um.
Neben dem Bett steht ein kleiner Nachttisch, gegenüber vom Bett an der Wand stehen zwei Schreibtische.
Warum zwei?
Ganz einfach, hier teilt man sich immer das Zimmer zu zweit. Aber im moment habe ich keine Zimmergenossin, aber die würde ich demnächst bekommen.
Toll...
Sonst gibt es hier nichts besonders spannendes, Essen gibts hier drei mal täglich (ja, Sam denkt zuerst immer ans Essen, man muss ja Prioritäten setzen), morgens muss ich früh aufstehen, da ich einen festen Zeitplan habe, den ich ebenfalls schon bekommen habe.
Unter anderem befinden sich darauf unmengen an Psychologen Gesprächen, Sportstunden und Selbsthilfegruppen oder so was ähnliches.
Ganu ehrlich, darauf habe ich jetzt schon keine Lust.

Nachdem ich meine Sachen ein wenig eingerichtet habe und meine Klamotten im Schrank verstaut sind, begebe ich mich nach draußen auf den Gang.
Meine Arme sind umhüllt von dem Oversize Pulli den ich trage, so sieht man nicht mal mehr meine Finger.

Meine Arme sind umhüllt von dem Oversize Pulli den ich trage, so sieht man nicht mal mehr meine Finger

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Somit setze ich meinen Weg fort, der zu der Mensa führt, in der es Essen gibt.
Es ist halb 7 abends, und um ehrlich zu sein, habe ich schon sehr großen Hunger.
In der Mesa ist schon etwas los. Hier essen alle Patienten und so zusammen.
Schnell hole ich mir an der Theke das Essen und setze mich alleine an einen der Tische.
Ich bemerke die Blicke vom gegenüberliegendem Tisch und beuge mich noch mehr über mein Essen.
Ich bin fast fertig, als sich plötzlich ein paar Jugendliche zu mir setzen.
Ich blicke nicht auf, sondern beobachte sie nur Anfangs aus dem Augenwinkel.
"Du bist neu hier, richtig?"
Ich gebe nur ein leichtes grummeln von mir.
Nach Gesprächen ist mir jetzt wirklich nicht zu mute.
"Warum bist du hier?", fragt die eine.
Ich gebe keine Antwort, es geht sie schließlich nix an.
Aber sie bedrängen mich weiter, und stellen immer und immer wieder die selbe Frage.
Haben diese Assi Kinder nichts besseres zu tun!?
"Ich wette, die is wegen Depressionen hier."
"Ja, hundert pro ritzt die sich auch."
"Die ist bestimmt wegen Suizid hier."
"Ja genau! Suizid! Suizid! Suizid!", rufen sie im Chor immer wieder.
Ich unterdrücke die Tränen.
Wie können sie es nur wagen...
"Seid sofort still."
Meine Stimme ist eiskalt und schneidend.
Im ganzen Raum ist es still und man hört klar meine Stimme, da die Rotzgören verstummt sind.
Ich hebe zum ersten Mal meinen Blick und sehe sie an.
Kalt durchbohre ich sie mit meinem Blick und stehe dann auf.
"Schämt euch, soetwas zu sagen. Und wegen Menschen wie euch, werden andere Menschen wie ich. Fahrt zur Hölle."
Damit verlasse ich den Saal und streiche mir mit den Ärmeln meines Hoodies die Tränen weg.

Das wird nicht so eine schöne Zeit hier...

Narben bleiben für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt