Hickauf

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Draußen ist es eisig. Wind und Regen peitscht mit entgegen und ich zucke zusammen, ich fühle mich, als würde die Gänsehaut bis zu meinen Knochen hindurch dringen.
Er muss es bemerkt haben, denn Augenblicklich danach zieht er mich von seiner Schulter runter und drückt mich fest an seine Brust, sodass ich nicht mehr Kopfüber baumle.
Schützend kuschle ich mein Gesicht in seinen weißen Pulli und verschließe meine Augen. Der Geruch von Metall und modrigen Holz sticht mir in der Nase, es erinnert mich an etwas, doch ich kann nicht sagen was.
Ich will nicht, dass er mich trägt. Ich will mich nicht an ihn kuscheln, ich will nicht, dass er mich wärmt. Doch noch immer spüre ich dieses komische kribbeln in meinen Beinen und ich weiß, dass sie mir noch immer nicht gehorchen.

Verfluchte Beine. Verfluchter Körper. Verfluchte Angst.

Nach wenigen Sekunden befinden wir uns wieder im trockenen.
Naja ... im trockeneren ...
Die Luft hier drinnen ist ziemlich feucht, es riecht nach Verwesung und ... und etwas für mich undefinierbaren. Was ist das?
Ruhig öffne ich meine Augen und wage es kurz mich umzusehen. Es ist ... als wäre ich in einer Bruchbude oder in einem Geisterhaus. Es ist eine Bruchbude. Und wenn er hier wirklich wohnt ... könnte es auch gut als Gruselhaus durchgehen.
Immer noch ist Jeff in Bewegung. Ich kann nicht glauben, dass er wirklich einen Namen trägt ... Jedes Mal, wenn ich mir versucht habe das Monster vorzustellen, habe ich nie an einen Namen gedacht. Es ist verwirrend.

Aber irgendwie hat ja alles einen Namen.

Es ist eine Treppe, auf die er sich zubewegt. Es ist komisch, wie er mit mir in den Armen die Treppe hoch geht, jede Stufe ist wie ein kleiner Sprung.

Davon bekomme ich Hic-auf.

Kurz schaut er mich verwundert an, doch dann ignoriert er mich. Er läuft nur immer weiter die Stockwerte hoch. Wie viele Treppen sind es denn bitte noch?
„Ich kann jetzt wieder selber laufen.", nuschle ich. Ich habe Angst ihn zu nerven. Habe Angst, was er dann mit mir macht.
Er antwortet mir nicht. Hat er mich nicht gehört? Aber so leise war ich doch gar nicht ...

„Ich spüre meine – hicks – Beine wieder. Ich kann selber laufen.", wiederhole ich ein wenig lauter.

„Meine Ohren sind gut. Sie sind besser trainiert, als bei vielen anderen.", gibt er mir monoton zu wissen.

Es ärgert mich. Ich mag es nicht, wenn Menschen mich verstehen und mir dann keine Antwort geben. Es macht mich wütend.
Ich schnaube. Mein schnauben vermischt sich mit dem Hick-auf. „Du hättest mir eine Antwort geben können. Kannst es – hicks – immer noch."

„Wieso sollte ich, Mal'ach? Wieso sollte ich eine so unnötige Konversation mit dir führen?"

„Weil es Menschlich ist - hicks."

Er lacht. Es ist eine zynische Lache. „Denkst du wirklich, ich wäre so etwas wie menschlich?" Die Betonung, die er in sein letztes Wort legt ist gruselig und traurig zu gleich.

Was soll ich jetzt bitte antworten?

„Ja." Sage ich nach wenigen Sekunden. Es ist wahr, auch wenn ich aus den ersten Instinkt heraus mit nein geantwortet hätte. Wie bisher bin ich der Meinung, dass Menschen werde Gut oder Böse sind. Dass sie selber entscheiden können. Und nur weil er das Böse gewählt hat, kann ich ihn nicht als unmenschlich bezeichnen.

Auch wenn ich es gerne würde.
Überrascht sieht er mich an.
Dieses Mal gebe ich ihn keine Antwort.
Dann bleibt er stehen. „Wir sind da." Ich sehe mich um. Es ist ein großer Raum, es gibt aber nicht viel, was ihn schmückt. Es ist trist.
Langsam lässt er mich von seinen Armen runter. Ich bin immer noch wackelig, doch ich fühle mich wieder besser.

„Wo sind – hicks – wir hier?"

„Es ist ein altes Hochhaus. Wo genau du dich befindest, erzähle ich dir nicht."

„Lebst du hier?"

„Vorrübergehend."

„Aber schon länger.", beantworte ich mir die Frage zum Teil selber, in dem ich auf den Boden blicke. Viele kleine Fläschchen sind im ganzen Raum verteilt. Es sind Augentropfen.

Das erklärt warum er noch nicht erblindet ist, obwohl er keine Augenlider mehr hat.

„Stimmt." Gibt er mir Recht.

Es ist komisch. Er ist komisch.
Der Hick-auf beginnt mich langsam zu nerven.

Langsamen Schrittes bewege ich mich auf eines der Fenster zu. Ich kann nicht durchsehen, eine dicke Schmutzschichte ist auf der Scheibe. Und dicke Latten von vermorschten Holz.
Ich schreie, als sich kalte Hände um meinen Hals legen. Ich spüre wie sie sich langsam enger um mich schließen.

Was –

Dann werde ich losgelassen.
Panisch drehe ich mich um. Ich habe Tränen in den Augen.
Das Monster zuckt nur mit den Schultern. „Du hattest Schluckauf. Das muss doch nerven."

„Und da erschreckst du mich?", frage ich verwirrt.

„Hat doch geholfen." Und wieder zuckt er mit der Schulter.

Ich höre besser auf zu reden.

„Komm."

„Wohin?" Ich bin misstrauisch.

„Schlafen. Du warst lange wach. Du brauchst deine Ruhe."

Schönen Abend noch <3

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt