Billys Geburtstag

2.2K 184 19
                                    


Meine Mutter schaltet den Fernseher ein und drückt auf eine Taste, um die Dateien mit den ganzen Videoaufnahmen zu öffnen. Sie sucht nicht lange, sondern startet direkt das richtige.

Wieder sehe ich mein Neun Jähriges Ich, wie es fröhlich in die Kamera lacht. Wieder sehe ich meinen Schulfreund, der komische Grimassen schneidet. Wieder sehe ich die anderen Kinder im Hintergrund rennen, mit den albernen Cowboyhüten und den Pistolen aus Plastik. Die Kamera schwenkt von mir und Jonathan weg, zeigt auch die anderen Menschen auf den Geburtstag. Die Erwachsenen stehen alle nah am Haus bei einen Kuchenbuffet, angeregt unterhalten sie sich. Die Sonne scheint, alle tragen kurze Shorts oder zumindest kurzärmlige Shirts. Wieder dreht sich mein Vater, der die Kamera hält und filmt wieder die Kinder.
Alle tragen Sommerliche Kleidung.

Alle, bis auf Jeffrey.
Er ist nur am Rand des Bildschirmes zu sehen und erweckt keine Aufmerksamkeit.


Das Bild wird kurz schwarz.


Der nächste Schnitt ist einige Zeit später.
Die Stimmung von eben ist gekippt. Es sind viele verständnislose Gesichter zu sehen.
„Was ist hier los?", schreit jemand. Erst nach kurzen überlegen erkenne ich in dem Ruf die Stimme meines Vaters. Plötzlich rennt er vor die Kamera.
Ist er nicht derjenige, der gefilmt hat?
Mein Vater scheint die Kamera gar nicht wahrzunehmen. „Was war das für ein Schuss? Wo ist Lucia?" Er sieht da noch viel sportlicher aus, als heute. Auch sein Haar ist dichter und dunkler. Dad rennt aus dem Sichtfeld der Kamera, seine Miene ist besorgt.

Ich höre wie meine Mutter neben mir laut atmet. „Drei Jungen kamen zu den Geburtstag ... alle drei waren sie nicht eingeladen. Sie haben sich den jungen im weißen Pullover vorgeknüpft. Der, mit dem du vorher noch einige Zeit geredet hattest ... Ich habe nur die Kinder schreien gehört und habe dann gesehen das sie Pistolen mit sich trugen. Erst dachte ich, es wären auch nur welche zum Spielen, aber ... naja. Dein Vater war gerade weg. Er war Eiswürfel holen und wir anderen Erwachsenen wussten nicht zu handeln."

Die Kamera schwenkt ins Wohnzimmer, da, wo ein toter Körper liegt.

„Der Junge ... ich meine Jeffrey heißt er, hat sich gewehrt. Er konnte aber nicht aufhören und hat ihn getötet ... Ich habe zugesehen als er es getan hat, ich war zu geschockt, als das ich hätte handeln können. Als ich endlich Begriff, was vor sich ging, suchte ich die Kamera von deinen Dad und nahm alles auf. Ich hörte Schüsse und erst da begann ich zu filmen. Ich dachte es wäre ein guter Beweis ... Da kam dein Vater aber auch schon."

Nachdem meine Mutter ihre Erzählung geendet hat, richte ich meine Aufmerksamkeit wieder mehr dem Video. Viel ist nicht zu sehen, nur das Chaos und die Panik, die die Jungen hinterlassen haben. „Wo ist Lucia?", schreit mein Vater wieder. Alles andere scheint ihn momentan nicht zu interessieren. Ein lauten rumpeln ertönt und die Linse schwenkt wieder in den Flur. Ein Flammenball fällt die Treppen herab, erst nach einiger Zeit bemerke ich, dass es sich dabei um Jeffrey handelt, der angezündet ist.


Dann endet das Video.


Schweigend sitzen Mum und ich nebeneinander.

Bilder kommen in mir hoch, aber immer zu kurz, um sie wirklich erkennen zu können. Ich sehe ... panische Menschen. Ich sehe den prügelnden Jeffrey. Ich sehe die Waffe. Ich sehe die Welt schnell an mir vorbeiziehen, mich rennen. Ich sehe die Treppe, wie ich mich hoch flüchte. Ich sehe ... verschwommen.

„Wie viele sind an dem Tag gestorben?" Mein Mund fühlt sich ganz trocken an.

„Zwei." Meine Mutter überlegt kurz. „Zwei der Drei Jungen die gekommen sind, um Ärger zu machen. Der andere ist geflohen, keiner hat es bemerkt, denn die Aufmerksamkeit lag auf den verbrannten Jungen. Oh Lucia, er sah schrecklich aus."

Sieht er auch immer noch.

„Was ist mit dem verbrannten Jungen passiert?", murmle ich.

„Er lag lange in einem Krankenhaus ... Bestimmt über einen Monat. Er schien wieder gesund zu werden, aber ..." Betrübt schaut sie nach unten, auf ihre Hände. „Wir haben dir damals erzählt, dass die Familie Woods kurz nach dem Geburtstag von Billy wieder weggezogen ist. Das stimmt aber nicht. Das Haus wurde angezündet, als Jeffrey wieder nach Hause entlassen wurde. Alle vier Familienmitglieder kamen damals ums Leben ... kurz danach konnten sie den dritten Jungen der Dreiergruppe fassen. Er wurde als Schuldiger angeklagt und kam in den Jugenknast."

„War er es denn auch?"

„Ich weiß es nicht. Er hat es nie Bestätigt und streitet heute noch alles ab ... aber die Beweise zeigen etwas anderes."

Ich weiß, dass der dritte Junge es nicht war. Jeffrey war es. Da bin ich mir ganz sicher.

„Und ... wo war ich? Wo hat mein Vater mich schließlich gefunden?", meine Stimme ist nur ein flüstern. Immer mehr Bilder kommen in mir hoch, die schon viel zu lange verdrängt wurden. Tränen bilden sich in meinen Augen. Ich habe eine schreckliche Vorahnung.

Mir wird schlecht.

„Du ... du warst -" Bevor sie weiterspricht, sehe ich weiße Fliesen vor meinem inneren Auge. Einen Wäschekorb, hinter den ich mich versteckt habe. Ich höre nach all der Zeit wieder diese Lauten Stimmen und sehe, wie drei prügelnde Jungen denselben Raum betreten. Der Raum, in dem ich mich befinde. Blut, ein Junge der am Boden liegt. Und Tot, Tot, Tot.
„Im Badezimmer." Aber ich höre sie kaum.
Ich sehe nur das Blut und den Tot. Sehe wie die anderen zwei Jungen weitermachen. Sehe, wie einer von denen Jeffrey ist. Höre Jeffrey ‚Was ist so lustig?' fragen. Und sehe das Feuerzeug von dem anderen Jungen. Ich höre mich selber aufschreien. Sehe, wie der junge Jeffrey zu mir sieht, bevor er in Flammen aufgeht und aus den Raum stürzt.

Ich sehe schwarz.
Meine Mutter drückt mich fest an ihre Brust. „Alles wird gut, Lu. Alles wird gut. Hör auf zu schreien kleine. Du bist hier, in Sicherheit." Ihre Stimme klingt weit entfernt.

Ha, als wäre ich hier sicher vor ihm.

Meine Mutter streicht über meinen Kopf und irgendwann bemerke ich selber, wie ich schreie. Erst dann kann ich mich stoppen. Mein Schreien endet in ein Schluchzen.

„Es tut mir so Leid Lucia, dass du sowas schon so früh in dein Leben erleben musstest. Und das du da oben warst, wo du alles mit ansehen musstest ..."

„Mama?", meine Stimme klingt verheult. „Kann ich heute bei dir schlafen?"

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Where stories live. Discover now