Die Krankenschwester

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Ich nehme den Bus von der Schule zur Innenstadt. Von da aus steige ich in einen zweiten ein, der mich in die Nähe des Krankenhauses befördert. Den restlichen Weg laufe ich, wobei ich froh bin, mich heute so warm angezogen zu haben.
Der Wind ist eisig.
Umso Näher ich den Krankenhaus komme, umso mehr senkt sich meine Laune.

Krankenhäuser.
Ich mag einfach keine Krankenhäuser.

Die Hektik, das sterile-kalte und der Geruch. Der Geruch ist das aller schlimmste von allen. Dabei kann ich mir nicht einmal erklären warum. Er ist typisch, herrscht in jeder dieser Gebäude vor und ist einfach nicht wegzukriegen. Egal wie lange ein Zimmer gelüftet wird.
Müde und mit hochgezogenen Schultern laufe ich die Treppen hoch, bis ich mich auf der Station befinde, in der mein Vater untergebracht ist. Das Personal scheint hier in Hektik und überfordert zu sein. Es könnte an der Grippewelle liegen, die zurzeit rumgeht.

Die Armen.
Wie viele Stunden voller Arbeit haben die vielleicht schon vor sich?

Bevor ich das Zimmer meines Vaters betrete, halte ich einen Moment inne und versuche die Negative Aura, die mich umgibt, abzuschütteln.
Das ist das Letzte, was mein Vater jetzt braucht.

Positive.
Denk an deine erholsame Nacht. Denk daran, wie leicht du aufgewacht bist.

Was –

Sofern ich die Tür öffne und die ersten Schritte ins Zimmer mache, werde ich tiefer hineingezogen und die Tür hinter mir geschlossen.

Ich will schreien, mich wehren, traue mich aber nicht zu regen.
Ich bin in den letzten Tagen schlauer geworden.
Ich muss mich ruhig verhalten.

Dann werde ich losgelassen und eine Person kommt in mein Sichtfeld. Eine vermummte Person, aber die Augen kenne ich.

Es sind seine Augen.

Just in diesem Moment, umfasst er mit seinen vernarbten Händen mein Gesicht, gibt mir einen flüchtigen Kuss auf meine Stirn und drück schließlich etwas in meine Hand. Dann verschwindet er.

Und er lässt mich alleine. Mit einem viel zu schnell pochenden Herzen.
Alleine.
Was hat er hier zu suchen?

Ich erwache aus meiner Starre. Das, was er mir in die Hand gedrückt hat, stecke ich in die Tasche meines Pullovers.

Dad!

Schnell springe ich zu ihm und fühle seinen Puls. Dabei gerate ich in Panik, bis ich endlich ein dumpfes Schlagen spüre. Eine Klemme löst sich von mir und ich beginne wieder zu atmen.
Aber irgendwas stimmt nicht.
Langsam erkunde ich das Zimmer und sofort als sich mein schlechtes Gefühl bestätigt wird mir schlecht.

Eine Krankenschwester, am Stuhl gefesselt, mit reingeritzten Lächeln. Leichenblass und regungslos. Da, wo die Augen sein sollten, starren mich leere Hüllen an.

Nicht schon wieder.
Nicht schon wieder.
Warum tut er mir das an?
Was habe ich getan ...
Es ist alles meine Schuld.
Meine Schuld.
Von mir alleine.

Kann nicht atmen, kann nicht denken. Sinke schwer zu Boden. Meine Muskeln sind nicht zu gebrauchen. Ich bin schwach.

Schwach.
Und alleine.
Und fühle mich tot.

Warum macht er es.
Warum kann er nicht sein wie gestern.
Wieso kann er mir nicht nur Schönheit zeigen.

Der Ort.
Der Ort war so schön.
Ich denke mich dort hin. Suche dort Zuflucht. Und finde sie.

Der abartige Geruch verschwindet.
Das Blutige Gesicht verschwindet.
Das Krankenhaus verschwindet.

Und ich bin wieder dort.

Dort.

Und dann –

„He-lf."

Ich schließe meine Augen. Nein,nein, nein, nein!
Reiß mich nicht fort von diesem Ort!
Ich will hier bleiben!

„Hilf."

Nein!

„Mi-"

Die Stimme ist nur ein röcheln. Fast Lautlos.

Ich sehe die Krankenschwester an. Kriege mit, wie sie leicht ihren geschundenen Mund bewegt.
Kriege mit, dass sie lebt.
Lebt.

Noch.

Und dann.

„Nein!" Höre ich jemanden schreien.

„Nein! Nein!"

Wieder und wieder höre ich die Person schreien.

Aber wer?

Ich.
Ich.

Ich schreie.

„Nein!", immer lauter und schriller.

Ich fühle mich eingeklemmt, fast wie zerquetscht. Weiche zurück vor dem Monster vor mir.

Der Krankenschwester.

Sie löst sich von ihren Fesseln und kommt auf mich zu. Verdreht ihre Glieder und ihren Kopf. Immer mehr Blut tropft von ihr und hinterlässt eine Spur.

Ich schreie.
Schreie um mein Leben.

Ihre Augen wütend auf mich gerichtet.
Sie will mich zerquetschen! Mich vernichten! Mich verschlingen!

Ich bin schuld!

Sie will mich töten.
Das Monster will mich töten!

Oder ... bin ich das Monster?

Nein.

Jeffrey meint doch immer ich sei ein Engel ...

Warum passiert das!

Warum.
Warum ich.

Ich will zu ihm.
Ich will zu Jeffrey.

Das letzte, was ich wirklich mitbekomme, ist, wie lauter Menschen ins Zimmer gestürzt kommen. Einige wenden sich an das Monster mir gegenüber, welches auf einmal wieder wie die geschundene Krankenschwester aussieht. Hilflos, wie sie an ihren Fesseln gebunden dasitzt. Die anderen kommen zu mir, versuchen mich zu beruhigen, aber ich kann nicht.

Ich versinke in meine eigene, kleine Welt.



Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Where stories live. Discover now