Wie wäre es mit Amnesie

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Die ersten Sekunden, in denen ich wach bin, weiß ich nichts mehr. Mein Kopf fühlt sich leer an, als könnte ich nicht mehr meinen eigenen Namen Buchstabieren.

Ich fühle mich lächerlich. Es ist lächerlich.

Aber vielleicht ist es das, was ich mir gerade Wünsche. Amnesie. Freier kann man doch gar nicht sein? ... Oder?
Ich hätte keine Schulsorgen mehr, könnte gewissenhaft den Kontakt zu meinen Freunden abbrechen, könnte das Gerede hinter meinen Rücken vergessen, würde mir keine Sorgen mehr um meine Eltern machen und ich könnte das Monster vielleicht hinnehmen. Ich meine ich kenne mich dann selber nicht, ich könnte mir selber einreden, dass es richtig ist, was er tut. Es wäre ein leichtes ohne Vorwissen. Ich müsste es nur aus einer gewissen Perspektive sehen.

Aber das ist Egoistisch.
Ich würde zwar die Welt vergessen, aber meine Liebsten mich nicht.

Aber ... Wenn ich sie nicht vergesse und weiter auf ihnen Acht gebe, nur um die Glücklich zu machen und mein Gewissen zu beruhigen und mich dadurch auch Glücklich zu machen ... Ist es auch Selbstsüchtig ...
Aber andererseits wüsste ich davon nichts mehr, wenn ich Amnesie hätte ...

Diese süße Ironie!

Ich fühle mich, als würde ich wieder an einem Donnerstagmorgen im Philosophie Unterricht sitzen. Wieso ist das Leben nur so ein Teufelskreis?

Während ich noch meine Gedanken sortiere, drehe ich mich auf der Matratze um und bin mehr oder weniger überrascht, als ich das Monster dort vorfinde. Er trägt ein schwarzes Shirt, ist mit dem Rücken zu mir gewandt und hält den größtmöglichen Abstand zu mir.
Schläft er noch?
Vorsichtig richte ich mich auf und beuge mich ein wenig über ihn. Es ist gruselig wie er schläft, als würde mich ein Toter ansehen. Meine Hand halte ich vor seinem Gesicht und bewege sie hin und her. Dann erschrecke ich, ein lautes, klirrendes Geräusch ertönt und mit einem mal geben meine Muskeln nach. Unfreiwillig sacke ich über das Monster zusammen und lande auf ihn. Ein erstickendes Geräusch kommt von ihn und so schnell, wie ich auf ihn gelandet bin, liege ich auch schon wieder neben ihn. Etwas Kaltes zieht sich an meiner Kehle entlang und ich erstarre.

„Fass mich nicht an, Mal'ach.", zischt er. Mit seiner einen Hand schaltet er den klirrenden Wecker aus.

Mein Blick schielt zu meinem Hals, an dem ein Messer gehalten wird. Woher kommt es auf einmal? Dann sehe ich ihn ins Gesicht. Er ist wütend.

„Es ... war ein Versehen.", quieke ich flehend.

„Warum warst du über mir?", verlangt er zu wissen.

„Ich wollte nur sehen, ob du noch schläfst ..."

„Sowas hat dich nicht zu interessieren. Fass mich nicht an, überrasch mich nicht und sei am besten Still!" Seine Stimme klingt gefährlich.

Er ist gefährlich.

Und ich folge seinen Anweisungen.
Aus Angst rücke ich noch ein Stück von ihm weg, doch er zieht mich an meinen Arm zurück. „Und auch sollst du dich nicht weiter entfernen!", schreit er mich an. Durch mein Körper zieht sich ein Schauer.

Und was soll ich dann bitte deiner Meinung nach tun?

Ich lasse ihn einige Zeit in Ruhe, in der ich nicht laut Atme, jedes jucken meiner Haut ignoriere und mich nicht mehr als nötig bewege. Wie ein eingeschüchtertes Tier sitze ich zusammengekauert da und vermeide Augenkontakt.

„Ich wollte dir keine Angst machen.", murmelt er, als er meinen gesenkten Blick bemerkt. Seine Hand umfasst mein Gesicht und zieht es unsanft in seine Richtung. Sein Griff ist viel zu fest.

„Ich mag es mehr, wenn du lächelst." Meine Stimme ist brüchig und Tränen steigen in meine Augen. Etwas Besseres fällt mir nicht ein, was ich sagen kann, ich habe Angst und sein fester Griff tut mir weh. Jedes Wort von mir muss bedacht sein.

„Ich auch." Er lässt von mir ab und dreht sich von mir weg.

„Hast du dir deswegen eins eingeschnitten?", frage ich vorsichtig, nach einem Moment der Stille.

„Ja. Nach - meinem Unfall, da tat es mir weh. Doch ich wollte es so gerne. Ich wollte mich immer Lächeln sehen. Nun, da ich so schön war. Dann kam mir eines Abends die Idee, meine Augenlider wegzubrennen und ein Lächeln in meinen Gesicht mit einem Messer zu verewigen." Das Thema scheint ihn nicht so leicht über die Lippen zu kommen. Was für einen Unfall meint er?

Ich öffne meinen Mund, um die Frage auszusprechen, doch er unterbricht mich. „Stell mir keine Fragen. Ich will keine zu diesem Thema hören."

„Okay. Ich verstehe das." Ich lächle ihn verständnisvoll zu. Ich darf mir keinen Fehler erlauben.

Als Antwort greift seine Hand in meine und automatisch sehe ich dabei zu, wie sein Daumen über meinen Handrücken fährt. Es ist wie Hypnose.

Und dann erstarre ich, als sich kalte Lippen direkt auf meine pressen.

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt