Was sollte das?

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Im Badezimmer stelle ich mich zuallererst unter die Dusche. Erst als die warmen Tropfen bis zu meiner Haut durchdringen, entledige ich mich meiner Kleidung. Ich fange an meinen ganzen Körper mit einem Schwamm und Seife zu schrubben. Ich fühle mich dreckig.
Verbraucht.
Zerzaust.

Als ich mit dem Schwamm beginne mein Gesicht zu waschen, färbt sich dieser rot.

Die Wange.
Wie oft will ich sie eigentlich noch vergessen?

Mit einem seufzen lasse ich den grün-roten Klumpen zu Boden fallen und spüle die Shampoo-Reste aus meinen Haaren. Das Wasser stelle ich ab, schnappe mir ein frisches Handtuch und wickle es um meinen Körper. Im Schrank suche ich nach einer Tube und schmiere mir anschließend Jod auf die Wange. Vorsichtig begutachte ich die Wunde. Sie ist nicht sonderlich tief. Eine Narbe wird sich dennoch bilden. Vielleicht wird sie über die Jahre aber verblassen. Im Gegenzug zu denen am Rücken. Langsam drehe ich mich vor dem Spiegel und lasse das Handtuch zu meinem Po runtergleiten.

Du gehörst mir Mal'ach.

Die Worte brennen sich wieder in meine Augen. Diese Narben werde ich wohl Lebenslang tragen. Ein Lächeln umfährt meine Lippen. Sie werden mich immer erinnern.

***

„Lucia!", zischt Lilly mir leise zu und rammt ihren Ellbogen in meine Rippen. „Hm?", gebe ich von mir und starre weiter auf mein Gekritzel vor mir. Es ist Dienstag. Fünfte und Sechste Stunde. Deutschunterricht. Mit meinen Stift fahre ich immer und immer wieder über die Selbe Linie.

„Lucia. Wir haben Unterricht. Es würde mich freuen, wenn sie mitmachen würden." Meint meine Deutschlehrerin streng. Kurz starre ich sie an, bevor ich mich wieder meinem Blatt zuwende. „Es kann ihnen doch egal sein, ob ich nun mitmache. Ihr Gehalt kriegen sie sowieso."

Ich spüre die Augen all meiner Klassenkameraden auf mir.

„Luci!", ermahnt Lilly mich entsetzt. Stimmt ja, sie kennt mich so gar nicht.

„Ich erwarte von dir, dass du in einen angemessenen Ton mit mir redest!"

„Dann erwarte ich das auch von ihnen." Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und schaue meiner Lehrerin direkt in die Augen. Meine Arme verschränke ich vor meiner Brust.

„Willst du, dass ich deine Eltern über dein Verhalten informiere?", sagt sie scharf.

Ich lege den Kopf schief. „Dafür haben meine Eltern gerade sowieso keinen Kopf. Aber tun sie sich keinen Zwang an: Sie können es gerne versuchen." Mit dem freundlichsten aller Lächeln untermale ich meinen Satz.

Stumm starrt sie mich an. Ich kann nicht sagen, was in ihren Kopf vorgeht, doch glücklich scheint sie nicht zu sein.

„Achja, bevor ich es vergesse.", füge ich hinzu, „Sie werden gerade rot wie eine Tomate. Das ist ein Vergleich. Sie hatten doch vor unserer Diskussion nach Stilmitteln mit passenden Beispielen gefragt. Natürlich könnte ich auch sagen: Ihr Zittern kommt ein Erdbeben gleich. Das würde ich dann als eine Übertreibung, Hyperbel, einstufen. Oder wie wäre es mit einer rhetorischen Frage? Fühlt es sich scheiße an, vor der ganzen Klasse gedemütigt zu werden?" Kurz hole ich Luft. „Sie brauchen mir darauf keine Antwort geben. Ich glaube jeder in diesem Raum kennt die Antwort. Aber auch nur, weil sie uns alle so gerne vor allen anderen demütigen." Und wieder lächle ich. Denn etwas besseres fällt mir nicht ein.

Ohne ein weiters Wort zu sagen, stürmt die Frau, die uns eigentlich unterrichten soll, aus dem Klassenzimmer. Einige Augenblicke ist es komplett ruhig. Die Spannung in der Luft ist beinahe greifbar.

„Luci. Was sollte das?", fragt Lilly mich entsetzt.

Entgeistert schaue ich sie an. Ja, was sollte das? Langsam und unbeholfen zucke ich mit meiner Schulter. „Ich weiß auch nicht.", flüstere ich.

War das gerade tatsächlich ich?

„Also, nicht das ich dir nicht vollkommen zustimmen würde, aber ... Das ist deine Lehrerin. Sie soll dich immer noch bewerten."

Mit der Hand kratze ich mir meinen Kopf. „Ich weiß."

Es ist mir egal. Mir ist die Note scheißegal.

„Du weißt?", hakt sie nach. Sie spricht leiser, als sie bemerkt, dass die Aufmerksamkeit vieler noch auf mir liegt.

„Ja, ich weiß.", wiederhole ich. Mein Kopf fängt an zu pochen. „Ich habe keine Ahnung, was gerade in mich gefahren ist."

Die habe ich wirklich nicht.
Aber es fühlte sich gut an.

Frei.

„Naja, immerhin hast du dafür gesorgt, dass wir wahrscheinlich den Rest der Stunde kein Unterricht mehr haben werden. Das hat bei dieser Lehrerin soweit ich weiß noch niemand geschafft." Versucht meine Sitznachbarin das Gespräch ins positive zu ziehen.

Ich lächle sie an, während ich tief ausatme. „Ja."

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Kde žijí příběhy. Začni objevovat