Denn wenn er stirbt

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„Papa?" Ich halte meinen Atem an. Meine Augen werden ganz trocken, so verbissen wie ich auf seine Hand schaue. Sie hat sich doch gerade bewegt ... oder? Ich habe es doch gespürt. Ich habe seine Hand mit meiner gedrückt ... und er hat zurückgedrückt. Ich weiß nicht, ob ich es mir nur eingebildet habe.

„Papa?", frage ich erneut. Mein Herz fängt wie verrückt an zu pochen. Wenn ich das meiner Mutter erzähle!

„Papa, bitte!" Es sind schon ein paar Minuten vergangen. Oder fühlt es sich nur so an? Wieso lässt er mich warten.

„Bitte." Meine Stimme ist nicht mehr so euphorisch. Sie verwandelt sich in ein verzweifeltes schluchzen. Mit aller Kraft drücke ich seine Hand.

„Ich brauch dich doch." Tränen fallen auf die weiße Bettdecke.

Er fehlt mir.

Der Gedanke, mir das gerade nur eingebildet zu haben, ist unerträglich. Ich will wieder mit ihm Filme oder Serien schauen. Spiele spielen, zusammen sarkastisch sein. Mit ihm über meine Sorgen sprechen. Meine stummen Gespräche mit ihm führen.

...

Ich will mich nicht mehr schuldig fühlen.

Denn wenn er stirbt,
reißt es ein Loch in mein Herz.

Wenn er stirbt,
bin ich nicht mehr das Papakind.

Wenn er stirbt,
werde ich nicht mehr Lachen können.

Wenn er stirbt,
werde ich nicht mehr in den Spiegel schauen können.

Wenn er stirbt,
ist Jeffrey schuld.

Wenn er stirbt,

...

muss ich mich gegen Jeffrey entscheiden.

-
-
-

„Was ist los Schatz?" Die Stimme ist rau und leise und schwach. Sie klingt brüchig und müde.

Schnell wische ich meine Tränen mit meinem Ärmel weg. „Dad." Meine Stimme klingt nicht viel besser. „Du bist wach." Ich muss das offensichtliche aussprechen.

Er ist wach.
Er lebt.
Er liegt nicht mehr im Koma.
Er hat mit mir gesprochen.

Freudentränen kullern mir über die Wange.

Er ist wach!

Er schließt seine Augen. „Was ist denn los?"

„Ich muss sofort Mama anrufen! Eine Krankenschwester hohlen, ich -" Glücksgefühle durchströmen meinen Körper. Mum weiß nicht, dass ich im Krankenhaus bin. Sie glaubt ich sitze in der Schule.

„Warte." Hält mein Vater mich davon ab. Seine Hand drückt meine.

„Was ist denn? Hast du schmerzen?" Ich habe nicht die geringste Ahnung was ich tun muss. Er ... er wirkt so zerbrechlich. Ich bin so ... unsicher ... und doch so glücklich.

„Lu sag mir ... Was ist los? Wo bin ich?"

Tief atme ich aus. „Was ist deine letzte Erinnerung?" Er müsste Jeffrey gesehen haben. Oder vielleicht auch nicht. Hat er ihn überhaupt gesehen? Vielleicht gehört?

„Ich ... ich bin ins Büro gekommen. Ich habe eine Nachricht von meinem Chef bekommen, dass ich abends früher gehen kann. Ich hatte gefragt, weil am nächsten Tag ja dein Geburtstag ist."

„Und noch irgendwas?", hake ich nach. War das wirklich allles?

„Nein, aber Lu ... was ist los?"

„Du bist im Krankenhaus. Als du nach Hause fahren wolltest, bist du überfallen worden." Ich spreche langsam. Ich weiß nicht, was ich ihn zumuten kann. Aber ich kann ihn ja auch nicht unwissend hier liegen lassen ...

„Was? Oh nein! Ist heute schon dein Geburtstag? Sag nicht du hast ihn bisher hier verbracht? Wir sollten schnell ..." Er versucht sich aufzurichten, doch ich drücke ihn wieder zurück in sein Kissen.

„Alles ist gut Dad." Ich lächle ihn an. „Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Ich bin einfach froh, dass dir nichts schlimmeres passiert ist."

„Schlimmeres? Es ist dein Geburtstag!" Er klingt nicht mehr so schwach wie am Anfang, doch trotzdem mache ich mir noch Sorgen. Ich rufe eine Krankenschwester, indem ich den Knopf dafür drücke.

„Mein Geburtstag ist auch nur ein normaler Tag. Mach dir wirklich keine Gedanken, okay? Außerdem ist er nicht heute."

Durch die Tür eilt eine Krankenschwester. „Du hast geklingelt – oh." Sie schaut meinen Vater mit großen Augen an. „Äh ... wartet hier."

Bevor sie mit einem Arzt wiederkommen kann, gebe ich meinem Vater einen Kuss auf die Wange. „Ich habe dich lieb. Ich rufe Mama an, damit sie Bescheid weiß."

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Where stories live. Discover now