Niedergeschriebenes Herz

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"Lucia ... es tut mir Leid wenn ich dich so direkt Frage, aber ist der Schmerz der dich die letzten Wochen so belastet ... ist es ... Liebeskummer?"

Langsam blicke ich wieder zu ihm hoch.

Erst als ein nasser Tropfen auf meiner Hose landet, merke ich die stummen Tränen meine Wange entlang fließen.

Und ich spüre die Trauer.
Die sich hochschleicht.

Meinen Atem nimmt.

Meine Stimmbänder befällt und ein Schluchzen hinaufbefördert.

Ja.

Langsam fange ich an meinen Kopf zu bewegen. Es ist ein ruhiges nicken, welches immer schneller wird. "Ja.", schluchze ich. "Ja." Mit meiner Handfläche wische ich über meine nasse Wange. 

Ich möchte das nicht.

Ich möchte nicht vor Albert weinen.

Tief atme ich ein und aus, um mich selbst wieder ein wenig unter Kontrolle zu bekommen.

"Ach Lucia. Du willst wahrscheinlich keine tröstende Umarmung?", fragend blickt er mich an.

Schwach schüttle ich meinen Kopf. "Danke, dass du fragst. Aber du hast recht, ich will wirklich keine." Jeder andere hätte mich einfach in den Arm genommen.

"Weißt du ... für Liebeskummer kann ich dir keinen super Trick verraten, wie du ihn schnell überwinden kannst. Denn jeder empfindet in dieser Situation anders. Aber ich will dir trotzdem sagen, was ich gemacht habe, als ich so unglücklich wie du warst: Ich habe einen Brief geschrieben." Er wirft mir eine Packung Taschentücher rüber. 

"Einen Brief?"

"Ich habe einen Brief an meine erste Liebe geschrieben. Natürlich konnte sie ihn nicht mehr lesen, aber es war für mich die richtige Entscheidung. Denn ich habe meine Gefühle - so gut es eben geht - in Worte formuliert.  Und es war ein befreiendes Gefühl. Schließlich habe ich mich jemanden anvertraut, auch wenn es nur ein Stück Papier war."

"Ich weiß nicht ..." Ich schnäuze meine Nase.

"Welche bedenken hast du denn? Du kannst ihm den Brief natürlich auch übergeben. Vielleicht schafft es ja Klarheit."

Und wie? Wenn ich ihn nicht Mal so erreichen konnte?

"Ich kann ihn den leider nicht geben.", murmle ich. Es ... es fühlt sich so leer an - mein Herz - als wäre es nicht mehr da. Meine Hände drücke ich an die leere, schmerzende Stelle.

Der Schmerz ... Es ist das, was bleibt.

"Dann bringst du den Brief an einem Ort, wo er ihn vielleicht finden könnte! Lucia, es gibt so viele Möglichkeiten und du bist ein kluges Mädchen. Ich weiß das du mich für die ganzen Ideen gar nicht brauchen würdest." Seine Stimme klingt Energiegeladen. Enthusiastisch.

Hoffnungsvoll.

Ich lasse Zeit verstreichen, bis ich mich dazu in der Lage fühle zu antworten. "Okay.", flüstere ich und senke meinen Blick, sowie meine Hände.

Meine Fingernägel, ich habe sie zu sehr in mein Fleisch gedrückt.




Einen Tag später bin ich schon am frühen Vormittag angezogen und bereit alleine das Haus zu verlassen. In meinen Händen einen zusammengefalteten Brief haltend, an dem ich die ganze Nacht gesessen habe. Und der immernoch nicht perfekt ist.

Ich wusste einfach nicht, wie ich es in Worte fassen sollte.

Meine Gedanken.
Meine Gefühle.

Die Verwirrung, Angst und Hoffnung.

Es schwirrte alles zu unklar in meinem Kopf und in Mengen, die ihn jede Sekunde zu zerborsten drohten.

Die letzten Wochen waren zu viel für mich.

Doch gerade als ich das Haus verlassen möchte, halten mich meine erstaunten Eltern auf.

"Wohin willst du denn Lu?", ruft meine Mutter mir noch zu. Beide sitzen am Frühstückstisch.

Den Brief in meinen Händen stopfe ich in meine Jackentasche. "Nur ein wenig raus. Bin nachher zurück.", antworte ich hastig und schließe schnell die Tür hinter mir.

Eisige Luft bläst mir entgegen. Erst im warmen Bus merke ich, dass meine Ohren und Wangen ganz taub von der Kälte geworden sind. Und gerade als ich sie langsam wieder anfange zu spüren, steige ich aus. Denn von hier kann ich nur noch zu meinem Ziel laufen. Es dauert eine gute Stunde, bis ich an dem Ort bin, den ich mir erdacht habe. Und als ich das Gebäude erblicke, dreht sich mein Magen um.

Nicht auf eine negative Art, aber auch auf keine positive.

Es ist ein kribbeln. Ein Kribbeln, dass sich auf meinem ganzen Körper ausbreitet.

Was habe ich mir dabei gedacht hierher zu kommen? Er wird sowieso nicht hier sein oder wieder hierher zurück kehren.

Es wäre viel zu auffällig. Zu Verdächtig. 

Gerade deswegen lässt er sich doch auch nicht mehr in meiner Nähe blicken. Gerade deswegen hat er doch die Stadt verlassen. Hat er zumindest gesagt ....

Es wäre zu riskant.

Langsamer nun, aber noch genauso zielstrebig, laufe ich auf das Gebäude zu, zu dem er mich zuerst gebracht hat. Als ich es betrete, steigt der vertraute Geruch in meine Nase. Automatisch verbinde ich damit meine Erinnerungen an die doch so wenigen Nächte hier.

Vor ein paar Wochen kamen sie mir wie eine Ewigkeit vor.

Und nun merke ich, dass die Momente viel zu schnell vorbei waren.

Zu schnell.

Und zu früh. Denn erst danach war ich bereit.

Das Treppenhaus habe ich von einem wachen Moment bis zum nächsten hinter mir gelassen. Dass die Zeit eine Weile weiter geflossen ist, habe ich Nichtmal bemerkt. Es ist schon Merkwürdig wie Zeit sich verändert, wenn man in seinen Gedanken versunken ist. Wenn man lauter Fragen im Kopf hat und Kummer im Herzen.

Wird er mir antworten, wenn er den Brief liest? 

Wird er den Brief überhaupt jemals lesen?

Wenn ja, kommt er mich dann hohlen? Muss ich wieder hierher, um eine Antwort zu erhalten? Wie lange müsste ich warten?

Auch wenn ich mit dem Brief keine Antwort erzwinge. Denn ich stelle keine Fragen. Keine Fragen, die einer Antwort Bedarfen. Es ist mein Herz, dass ich - so gut es mir gelang -  in wenigen Wörtern niedergeschrieben habe.

Immernoch zielstrebig betrete ich den kleinen Raum, in dem wir gemeinsam geschlafen haben. Nichts deutet mehr darauf hin, dass er hier war.
Mit zittrigen Händen nehme ich das Bild vor dem kleinen "Stauraum" in der Wand ab.

Wie erwartet ist die Holzschatulle dort nicht mehr verstaut. Dennoch zerbricht ein kleiner Teil meiner Hoffnung, die ich unbewusst gehegt habe.

Doch als ich den Brief hineinlege, fällt mir ein Zettel auf. Und ein Buch, dass schon keinen Umschlag mehr besitzt. Sofort überschlagen sich meine Gedanken, sowie mein Herz.

Es muss nicht unbedingt von ihm sein. Ich mach mir vielleicht zu viele Hoffnungen.

Doch als ich den Zettel lese, hört mein Herz nicht mehr auf zu stolpern.

<Denk an das Geschenk, Mal'ach.>



Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Where stories live. Discover now