Vorstellung

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Resigniert starre ich die scharlachroten Tropfen auf meinen Fingern an. Es ist das erste Mal, dass meine Regelblutung einen solch hellen Ton hat. Es ist ein schönes rot. Es ähnelt der Farbe, die Elina immer als Nagellack trägt.
Vorher hatte mein Regelblut immer eine bräunliche Färbung. Vielleicht ist es das erste Mal, dass ich wirklich meine Tage habe. Schließlich habe ich die drei Male davor nur ein bisschen Blut gelassen, ein paar Tropfen in meine Unterhose, verteilt auf die letzten dreizehn Monate.

Es dauert einen Moment, bis ich zum Klopapier greife und mir die rote Spur wegwische. Ich mag es nicht weiter ansehen. Schnell werfe ich es in die Toilette und spüle es runter. Ich habe meine Tage nicht wirklich erwartet. Ich habe es wirklich vergessen. Ich fand es gut, dass ich sie nicht hatte, während sich einige meiner Freunde darüber monatlich beklagt haben. Irgendwie habe ich gehofft, dass ich davon verschont bleibe.

Und dann gerade jetzt.

Aber - und dafür bin ich dankbar - es hat mich einen kleinen Augenblick von meinem anderen Kummer abgelenkt. 



Energielos lasse ich mich in mein Bett fallen. Es ist später Nachmittag und auch wenn ich die Nacht davor nicht geschlafen habe, fühle ich mich nicht danach einfach nur meine Augen zu schließen. Doch auch habe ich nicht die Kraft dazu, irgendwas sinnvolles oder unterhaltsames zu tun - sei es bloß die ganzen Malsachen von meinem Boden wegzuräumen. 
Meine Augen brennen ein wenig. Als ich vorhin in den Spiegel gesehen habe, waren meine blauen Augen rot unterlaufen und leicht aufgequollen. Ich habe in den letzten Wochen mehr geweint, als im ganzen Jahr davor zusammen. Da dürfen meine Augen auch mal brennen.

Nachdenklich schaue ich hoch zu meiner Zimmerdecke. Das Licht der Deckenlampe ist mir ein wenig zu hell, weswegen ich meine Augen leicht zusammenkneife. Es hätte alles so viel leichter sein können. Wären einige Dinge anders gelaufen, würde mein Herz sich nicht nur wie ein schmerzhafter Klumpen anfühlen.

Zum Beispiel ... wenn Jeffrey in der Nacht an meinen Geburtstag nicht zu mir gekommen wäre. Hätte er mich, meinen Vater, meine ganze Familie einfach in Ruhe gelassen. Dann würde ich einfach so weiterleben, wie noch vor kurzer Zeit. Sicher hätte er dann aber an diesem Tag eine andere Familie bestialisch hingerichtet ... Ich aber wäre frei gewesen.
Das gleiche wäre der Fall, wenn mein Vater endlich aufgehört hätte, diesen langjährigen Fall zu bearbeiten. Hätte er die Arbeit einfach jemand anderen machen lassen. Oder wäre Jeffrey dann trotzdem zu mir gekommen? Hätte ich als Kind vielleicht erst gar nicht vom Baum fallen dürfen, damit das alles in einem anderen Universum nicht zutrifft? Oder hätte er jemand anderen gefunden? Eine andere, der er seine Sicht von Schönheit zeigt?

Bei den Gedanken zieht sich mein Magen zusammen. Ich will nicht, dass es jemand anderes  ist, als ich. Ich will in seinen Augen die Definition von Schönheit und dem Guten sein. Er soll mich als sein Gegenstück ansehen. Wie er mir es erklärt hat. Auch wenn ich dafür die Schmerzen ertragen muss. Nur, dass er gegangen ist, das will ich nicht. 

Aber wie wäre es weitergegangen? 

Das wir uns ewig heimlich weiter treffen? Das ich mit ihm verschwinde? Das ich ihm meine Eltern vorstelle?

Beim letzten Gedanken fange ich leicht zu lachen an. Es ist so absurd, dass die Vorstellung daran mir Freude bereitet. 

Ich müsste ihn vermutlich schminken, damit seine ganzen Narben nicht so hervorstechen. Andererseits könnten dadurch Fragen auftauchen, die ich nicht beabsichtige. Er könnte so erscheinen wie er ist, schließlich wissen meine Eltern nicht, wie der Mörder aus den Nachrichten und Vaters Ermittlungen aussieht. Ich müsste mir nur etwas gutes ausdenken, wenn meine Eltern mich nach dem Treffen ausfragen. Natürlich würden es meine Eltern sich niemals anmaßen ihn direkt zu fragen, jedenfalls nicht beim ersten Treffen, da sie keine unangenehme Situation hervorrufen wollen würden. Aber ich kenne die Neugierde meiner Mutter. Nur wenige Sekunden nachdem er das Haus verlassen hätte, würden die Fragen nur so aus ihr heraus sprudeln. 

Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt