Erwachen

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Mir ist warm. Die Luft im Zimmer ist abgestanden, ein muffiger Geruch liegt mir in der Nase. Ich drehe mich auf die andere Seite, ziehe die Decke mit, stoße sie jedoch im nächsten Augenblick von mir. Es ist viel zu warm.

Mit meinen Armen umschließe ich das Kissen auf dem ich liege und genieße die Kälte, die von der Unterseite ausgeht. Meine Finger kleben, mein Kopf pocht und mein Nacken tut mir weh. Reflexartig drücke ich die Augen weiter zu, gerne will ich wieder in einen tiefen Schlaf sinken.

Dieser Schlaf war alles andere als Erholend.

Schwer seufzend öffne ich meine Lider, zu schnell richte ich mich auf, wodurch mich ein Schwindelgefühl überfällt und ich beginne zu würgen. Bitte nicht.

Mit meiner Hand halte ich mir meinen Mund zu, doch es kommt nichts hoch.

Ich muss dringend ein Fenster öffnen.

Meine Füße streifen den Boden, für einen Augenblick bleibe ich auf der Bettkante sitzen und genehmige es mir, ein paar kräftige Luftzüge zu hohlen. Dann tapse ich mein Zimmer entlang, hin zu der großen Glasscheibe. Als ich meinen Körper strecke, um das Fenster zu öffnen, zieht sich ein brennen über meinen Rücken.

Es lässt mich vollkommen wach werden.

Ich bin ... in meinem Zimmer. Meinem Zimmer. In meinem Zuhause.

„Was ...?" Sprachlos drehe ich mich einmal um meine eigene Achse. Alles sieht noch so aus wie vor zwei Tagen.

Das ergibt doch gar keinen Sinn.

Ich halte die Luft an, doch es dauert nicht lange, da verlangen meine Lungen schon wieder nach Luft. Es ist kein Traum, da bin ich mir ganz sicher.

Wie spät ist es?

Mein Blick gleitet zu der einzigen Uhr in meinem Zimmer, 7:21 Uhr.

So früh noch. Aber naja, in letzter Zeit habe ich ja auch recht viel geschlafen.

Wieso hat er mich nach Hause gebracht?

Mir knurrt der Magen. Mein Mund fühlt sich auf einmal staubtrocken an. Morgen ist wieder Schule und meine Geschichtshausaufgaben habe ich immer noch nicht erledigt. Genauso wenig wie die Ausarbeitung für Chemie und die Berichtigung der Mathearbeit. Und Kunst, ich muss unbedingt etwas für Kunst machen.

Und ich muss zu meinem Vater und –

Wieder gibt mein Bauch ein grummelndes Geräusch von sich. Und ich muss unbedingt etwas essen.

Die Stufen eile ich hinunter und sogleich gehe ich in die Küche. Aus der Gefriertruhe schnappe ich mir eine Tiefkühlpizza und schiebe sie in den Ofen. Ja, Pizza ist jetzt genau das richtige. Als Vorspeise genehmige ich mir eine Banane und ein großes Glas voll kühlem Wasser.

„Lu?"

Mum?

Von oben höre ich etwas die Treppen herunter Poltern und es dauert nicht lange, da steht meine Mutter in Schlafklamotten vor mir.

„Wieso bist du denn schon wach?"

„Ich konnte nicht mehr schlafen", mit offenen Mund starre ich sie an, „Was machst du denn schon wieder hier."

Ich schlucke. Hoffentlich hat sie nicht mitbekommen, das ich längere Zeit fort war ... Ich dachte sie wäre noch im Krankenhaus.

„Ja, ich freue mich auch dich zu sehen." Ein sarkastischer Unterton liegt in ihrer Stimme. „Ich bin in der Nacht nach Hause gekommen, als der Regen aufhörte und die Straßen wieder sicher befahrbar waren. Ich wollte dich zuerst wecken, aber du hast so süß ausgesehen, wie du geschlafen hast." Sie kommt auf mich zu und nimmt mich in der Arm. „Ich habe dich vermisst Püppi."

Wieder brennt mein Rücken. „Wir waren doch gar nicht lange getrennt.", argumentiere ich.

„Darf ich dich trotzdem nicht vermissen?"

„Doch.", ich lächle. „Ich habe dich auch vermisst." Ich dachte ich sehe dich nie wieder.

„Dein Vater ist immer noch nicht aufgewacht.", beantwortet sie meine Frage, bevor ich sie aussprechen kann. „Aber er scheint nicht mehr in Lebensgefahr zu sein."

Eine Last fällt mir von meinen Schultern, dabei wusste ich nicht, dass ich sie trage.

„Das ist eine schöne Nachricht, danke."

„Hm?", sie drückt mich ein wenig von sich, „Soll ich uns beiden ein schönes Sandwich machen?"

„IchmachemirschonPizza.", murmle ich.

„Was?"

„Ich mache mir schon Pizza.", spreche ich dieses Mal deutlicher. Mit Unschuldsaugen schaue ich meine Mutter an.

„Pizza? Zum Frühstück?" Skeptisch zieht sie ihre Augenbrauen hoch.

„Jaaa? Ein besseres Frühstück gibt es nicht."

„Du machst doch sowieso das, was du möchtest." Sie lacht. Ich mag es. Es beruhigt mich. „Wo willst du eigentlich hin?"

„Was meinst du?"

„Du bist ja schon fertig angezogen. Dein weißes Oberteil kenne ich ja noch gar nicht, ist das neu?"

Oh.

„Habe ich schon lange in meinem Schrank. Ich muss mit den Klamotten eingeschlafen sein, ich habe mich heute Morgen noch gar nicht im Spiegel gesehen."

„Es ist schön, du solltest es öfters tragen. Willst du nicht erst hoch gehen und dich fertig machen? Ich kümmere mich dann um deine Pizza. Du magst sie ja sowieso lieber kalt."

„Vielleicht fühle ich mich dann ja besser.", flüstere ich eher mir zu, als meinem Gegenüber.

„Wieso, fühlst du dich nicht gut?" Sofort kommt wieder die führsorgliche Mutter zum Vorschein.

„Ach, nur ein wenig Kopfweh.", versuche ich sie zu beruhigen.

Aber sie glaubt mir nicht und fasst mir mit ihrer Hand an die Stirn. „Du bist warm. Vielleicht wirst du Krank. Willst du eine Entschuldigung für die Schule?"

„Nein, das passt schon. Ich brauche bestimmt nur eine Dusche."


Im Badezimmer beginne ich damit meine Zähne zu putzen und die Toilette zu besuchen. Als ich mich ausziehe, verspüre ich wieder das brenne über meinem gesamten Rücken. Was ist das bloß? Eine Entzündung?

Mit nackten Oberkörper drehe ich mich mit dem Rücken zum Spiegel. Einen Taschenspiegel benutze ich, um mir mein Schmerzendes Körperteil ansehen zu können.

Klirren.

Der Spiegel in meiner Hand fällt zu Boden. Tausende kleine Splitter liegen zu meinen Füßen verstreut. Ich kann mich nicht bewegen.

Die wulstigen Schnittwunden auf meinen Rücken brennen sich in meine Gedanken. Du gehörst mir Mal'ach.



Zwischen Schönheit und Selbstsucht (Jeff the Killer FF/ Lovestory)Where stories live. Discover now