.:Kapitel 94:.

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►ALEC POV





Obwohl ich jeden Sonntag mit meiner Familie die Kirche besuche und regelmäßig an den Religionsstunden am Nachmittag teilnehme, konnte ich nicht anders, als beim Geruch daran erinnert zu werden. Denn die Kirche riecht für mich wie das Toupet von Großonkel Albert, nämlich nach Pomade.

Ich lehne mich zurück und lasse den Blick durch die leeren Reihen der Kirchenbänke schweifen, die in ein paar Stunden gefüllt mit feingekleideten Damen und Herren aus unserer Gemeinde sein werden. Um Zeuge zu sein, wie Adam und Betty sich das Jawort geben.

"Ja! Gleich habe ich dich!" Die Motivierenden Schlachtrufe von Asher, der neben mir auf der Holzbank sitzt und hochkonzentriert mit seinem piependen Gameboy spielt, lenken meine Aufmerksamkeit auf ihn.

Sein Anzug das identisch zu meinem ist, kommt ihm etwas zu groß. Die Beine lässt er einfach hin und her baumeln, weil sie zu kurz sind, um den Boden zu berühren. Doch das kümmert ihn recht wenig, denn das Spiel ist so ziemlich, das Einzige, was ihn momentan interessiert. Der Anblick zaubert mir ein amüsiertes Lächeln auf die Lippen.

"Alec!", ruft meine Mutter und winkt mich hastig zu sich herbei. Umgehend eile ich ihr entgegen, begrüße zuerst höflich Pater Donovan, der hinter ihr steht, bevor ich mich dann fragend zu ihr wende.

"Schatz, sei so lieb und bring das schnell zu Adam, ja?" Sie drückt mir ein kleines viereckiges Lederkästchen in die Hand. Das Leder fühlt sich zwar noch weich an, doch die abgenutzten Stellen verraten mir, dass es schon älter sein muss. Ich nicke bloß und haste den Gang entlang bis zur Treppe. Zwei Stufen auf einmal nehmend, erklimme ich die hölzerne Treppe hinauf.

Während ich Ausschau nach dem Zimmer halte worin sich mein großer Bruder Adam befindet, entdecke ich ungewollter Weise in der Ecke meine große Schwester Adriel, wie sie mit ihrem Klassenkameraden Oliver rumknutscht.

Sofort verzerre ich mir angeekelt das Gesicht. Als sich unsere blicke treffen, zwinkert sie mir zu und zieht Oliver in die kleine Besenkammer hinter sich. Prompt fällt die Tür laut zu. Darauf verdrehe ich nur die Augen. Waren alle 16-jährigen Mädchen so oder ist es nur meine Schwester?

Plötzlich geht eine Tür am Ende des Korridors auf und das Gefolge vom Bräutigam tritt mit dröhnenden Lachen in den Flur hinaus. Mir geht sofort ein Licht auf. Dort musste Adam sein. Schnell husche ich an ihnen vorbei ins Zimmer, bevor einer von ihnen die Tür schließt. Mein Vater, der Adam gerade die schwarze Fliege, passend zu seinem dunkelblauen Smoking, bindet, schaut mich verwundert an.

Die Verwunderung in seinem Gesicht schwankt sofort zur Erleichterung hinüber, als ich das kleine Lederkästchen hervorzeige. Ein erfreutes Lächeln erreicht seine blauen Augen. "Wo steht mir heute eigentlich der Kopf? Vor lauter Aufregung habe ich sie doch tatsächlich vergessen", stöhnt er und nimmt sie hurtig, nachdem er mir lobend auf die Schulter geklopft hat.

Neugierig strecke ich etwas den Hals nach vorne, um besser zu sehen können, was so wichtiges in diesem Kästchen drinnen ist. Mein Vater schmunzelt etwas über mich und öffnet es schließlich. Zwei runde goldene Stücke, auf deren glatten Oberflächen im Schreibschrift der Buchstabe P eingraviert wurde, funkeln mich an. Ich runzle die Stirn und versuche herauszufinden, wozu die eigentlich gut sein sollen.

"Ohrringe?", denke ich zu meinem bedauern laut. Denn mein Vater schaut mich ungläubig an und bricht in schallendes Gelächter aus. Verdutzt hebe ich eine Augenbraue. Was war daran so komisch? Sogar Adam räuspert sich und man sieht ihm an, dass er sich das Lachen verkneifen muss. Jetzt fühle ich mich etwas vorgeführt und laufe rot an.

"Nein, mein Sohn. Das sind Manschettenknöpfe. Die haben deinem Urgroßvater gehört. Schau!", erklärt er mir und fordert mich auf hinzusehen, während er den Manschettenknopf durch die vorhandenen Löcher am Hemdaufschlag hindurch schiebt und verschließt. "Fertig!" Fasziniert davon mache ich große Augen und kann verstehen, weshalb sie eben gelacht haben. Die sind ja voll cool und gar nicht zu vergleichen mit stinknormalen Ohrringen.

1. Straight but obsessed by him (boyxboy) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt