Kapitel 75

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Vor einiger Zeit haben wir die Kerker hinter uns gelassen und ziehen mittlerweile ziellos durch die Gegend.
Noch immer steht mein Körper unter Strom.
Ich fühle mich so frei und stark, einfach unglaublich gut. Ich kann mir ein Grinsen schlichtweg nicht verkneifen. Der Typ hat bekommen, was er verdient hat.
Wie ich Vergeltung liebe.
Wer braucht schon Karma, das übernehme ich lieber selbst.

Ich tänzele neben Eligor her, der mich grinsend beobachtet.
„Fühlt sich gut an, oder? Der dämonische Teil in dir hat wohl die Überhand gewonnen, geb dich aber nicht zu sehr dem Gefühl hin, sonst verfällst du noch dem Bösen.
Es gibt sogar Dämonen, die sich zu sehr der Dunkelheit hingeben und was dabei rauskommt, willst du nicht sehen."
„Keine Sorge, wenn ich als verrückter, mordender Hybrid durch die Gegend laufe, erfährst du es als Erster."
Ich grinse ihn bösartig an und hebe eine Augenbraue.
„Das hoffe ich doch."
Wir müssen beide lachen, wobei mir seine Worte nachgehen. Ein nicht gerade unbedenklicher Teil in mir ist schockiert über mein Verhalten, über mich selbst, über die Geschwindigkeit, mit der ich mich der Hölle anpasse.
Ich habe ihn absichtlich verletzt.
Ich habe nicht mal aus dem Affekt heraus gehandelt, das war komplett vorsätzlich.
Aber das allein ist nicht mal der Grund, sondern die Tatsache, dass ich es genossen habe.
Ich habe es genossen, ihm Schmerzen zuzufügen.
Und ich verspüre keinerlei Reue oder Mitgefühl mit ihm.
Vielleicht liegt es daran, dass ich zur Hälfte ein Dämon bin. Sowas liegt in der Natur des Bösen, oder nicht?
Ich meine, Dämonen sind nicht umsonst Kreaturen der Hölle.
Und genau so eine Kreatur bin auch ich, zumindest zur Hälfte.
Vielleicht sollte ich dies einfach akzeptieren, anstelle davon, mein Verhalten zu verleugnen.
Ach, auch egal, der Kerl erholt sich wieder, also fast nicht der Rede wert.

„Alice, Eligor bleibt stehen.
Sofort."
Ich drehe mich zu der Stimme herum.
Luzifer.
Ich grinse ihn an, ausnahmsweise kann auch der mein gute Laune nicht vermiesen.
„Ja, bitte Luzifer."
„Kommt mit, wir müssen reden."
„Entzückend wie immer.
Den Namen Lichtbringer hat er sich redlich verdient.", flüstere ich leise zu Eligor, der sich das Grinsen verkneifen muss und mir, nachdem er sich tief verbeugt hat, leicht in die Seite kneift.
Ich verzichte auf die Formalitäten. So, wie es aussieht, ist gerade keiner um uns, der es bemerkt.
„Na, wenn du so nett fragt, kann man ja nicht nein sagen.", sage ich dieses Mal lauter und gekoppelt mit einem zuckersüßen Lächeln.
„Das hab ich gehört."
„Das hoffe ich doch."

Wir laufen nebeneinander durch das Schloss, wobei ich mich anstrengen muss, um mit Luzifer mitzuhalten, der es offensichtlich eilig hat.
„Wo gehen wir hin?"
„In mein Büro."
„Wow, doch so gesprächig heute."
Während mir Luzifer von rechts einen bösen Blick zuwirft, höre ich von Eligor, der links von mir läuft, nur ein leises Lachen.

Wir erreichen eine massive Tür, die ein Diener für uns öffnet.
Der Raum ist groß, also wirklich groß.
In dem einen Eck steht ein runder Tisch, an dem schon drei Gestalten sitzen.
Tick, Trick und Track.
Der Morgen kann kaum besser werden.
„Setzt euch."
„Was wird das hier?
Die Ritter der Tafelrunde?"

„Alice, ich habe das Gefühl, dir fehlt die gewisse Ernsthaftigkeit.
Vielleicht solltest du dich nach deinem Ausrutscher von gestern wenigstens heute angemessen verhalten."
Ich hebe abwehrend die Hände.
„Ist ja gut, ich benehme mich ja schon.
Wo dürfen wir uns denn hinsetzen? Nicht, dass wir noch deine Sitzordnung zerstören, wir wollen dich ja nicht unnötig reizen."
„Alice.."
Er knurrt meinem Namen böse.
„Perfekt, also überall."
Ich lasse mich neben Satan fallen und Eligor widerum neben mir.

Auch Satan wirkt heute überraschend schlecht gelaunt.
Meine Blicke streifen Belial, der mir ein erzwungenes, aufmunterndes Lächeln schenkt und Leviathan, der verträumt aus dem Fester starrt.
Luzifer setzt sich zu uns an den Tisch.
„Unsere ausgerissenen Seelen sind gestern Nacht durch die Höllentore eingedrungen, haben zwei Städte vollkommen zerstört und wollten weitere Seelen aus dem Höllefeuer holen, um ihre kleine Armee zu vergrößern."
Da ging meine gute Laune.
Ich muss leicht schlucken. Das ist also der Grund für die Aufregung.
„Belial, wie konnten sie durch die Tore? Du bist doch der Wächter der Höllentore, dich kann keiner umgehen."

Belial schüttelt leicht den Kopf, wobei seine Augen sich gelb färben und echsenähnliche Züge annehmen.
Er sucht mit seinen Augen etwas ab,
wobei ich mir sicher bin, dass es nicht in diesem Raum an sich ist.
Er überprüft das Höllentor.
„Da ist nichts, das Tor ist zu. Es ist weder beschädigt noch zerstört."
„Wie kann das sein? Wie konnten sie in die Hölle kommen?"
Schweigen, keiner weiß eine Antwort.

Satan neben mir fährt sich durch seine strubbeligen Haare.
„Die haben eine Hexe.
Ansonsten könnte ich es mir nicht erklären, wie sie in die Hölle und wieder raus gelangen hätten sollen.", sagt Leviathan ernst.
Eine Hexe?!
Also so eine richtige Hexe mit Zauberhut und Zauberstab?
„Da könntest du recht haben. Wobei.. eine Hexe allein langt dafür nicht aus. Bestimmt haben sie einen ganzen Hexenzirkel unter ihrem Kommando. Wenn genug alt-Hexen dabei waren und schwarze Magie praktiziert wurde, könnten sie das Tor für Sekunden öffnen.
Lang genug zumindest, um reinzukommen. Und offensichtlich wurde es erneut geöffnet, um zu fliehen."

Ich starre verwirrt in die finsteren Gesichter.
Ein Hexenzirkel?
„Wir haben unseren Feind unterschätzt. Dass sie einfach so in die Hölle stürmen, damit hat wohl keiner gerechnet und vor allem nicht damit, dass sie sich mit Hexen zusammenschließen."
Satans Stimme ist voller Zorn.
„Das ist nicht unser einziges Problem.", sagt Belial überraschend beherrscht.
Ich muss schlucken. Also neben Hexen und Toten gibt es noch mehr Probleme, wird ja immer besser.
„Es gab Tote. Sie haben welche von uns getötet. Sie haben Dämonen getötet."
Eligor neben mir versteift sich.
„Das ist unmöglich.
Es sei denn... es sei denn, sie haben Waffen aus reinem Eisen, die von extrem mächtigen Hexen verzaubert wurden."
„Ich hasse Hexen. Diese verfluchten Schlampen, ich bringe sie alle um."
Belial erhebt sich wütend von seinem Stuhl.
„Was meint ihr?"
„Dämonen kann man nicht töten; zumindest nicht durch natürliche Waffen. Es sei denn, man hat genau so eine Art Waffen, oder man ist ein Todesdämon, da geht das wahrscheinlich auch."
Ich muss schlucken.
„Konnten sie noch mehr Seelen befreien?"
Meine Stimme zittert bei den Worten.
Luzifer schüttelt leicht den Kopf.
„Nein, die Höllenhunde konnten sie abwehren."

„Wir müssen handeln, so kann das nicht weitergehen."
Eligor nickt zustimmend.
„Die Armeen sind bereit, um jederzeit in den Krieg zu ziehen."
„Was sollen wir denn gegen sie ausrichten? Wir wissen weder, wie man sie wirklich tötet, noch wohin wir mit ihren verrotteten Seelen sollen.
Sicherlich nicht erneut ins Höllenfeuer, nur, damit sie wieder ausbrechen."

„Wie wäre es mit etwas himmlischer Unterstützung?"
Ich drehe mich zu der Stimme herum.
Michael steht groß und mächtig, wie er nun mal ist, vor den Fenstern.
Seine Präsenz ist überwältigend, er ist und bleibt eben das mächtigste Geschöpf des Himmels, abgesehen von Gott, wenn es ihn denn gibt.
Leicht versetzt hinter ihm stehen Gabriel und Raphael.

„Wieso solltet ihr uns helfen?
Abgesehen davon, wie kommt ihr darauf, dass wir eure Hilfe bräuchten?", sagt Luzifer verächtlich und schnaubt dabei spöttisch aus.
„Es muss immer jemanden geben, der die Drecksarbeit erledigt und das seid nun mal ihr hier in der Hölle. Ihr müsst euch mit eurem undankbaren Job um die Verdammnis kümmern.
Aber ihr versteht offensichtlich nicht ganz, dass euer kleines Problem auch das unsere ist.
Wenn diese Seelen es wirklich schaffen, die Hölle zu zerstören, lassen sie unzählige grauenhafte Kreaturen, die sich in dieser abscheulichen Finsternis angesammelt haben, frei.
Damit kommt die Apokalypse, die Welt wird zerstört und die Menschen werden abgeschlachtet wie Tiere.
Wir wissen ja, euch liegt nichts an den Menschen, uns im Gegensatz dazu schon.
Auch wenn wir unterschiedliche Ansichten haben, verfolgen wir dennoch das selbe Ziel.
Also entscheidet euch, kämpfen wir gemeinsam in diesem Krieg und gewinnen ihn oder wollt ihr lieber alleine kläglich versagen?"

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Oh mein Gott, fast 200k!! 🎉🎉
Das ist zu krass😱

Hello Devil, nice to meet you!  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt