Kapitel 99

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Dankbar genieße ich die Stille, während wir alle schweigend essen. Das ist zumindest besser, als eine weitere Frage- und Antwortrunde zwischen den beiden mitansehen zu müssen. „Jonathan, mein Dad fragt mich täglich, wie es dir geht und wann wir uns wieder sehen. Er hat offenbar einen Narren an dir gefressen." Jonathan blickt von seiner Pizza auf und grinst verlegen, wobei ich sehe, dass ihm die Situation mit Luzifer noch immer unangenehm ist. „Ich freu mich auch schon darauf, euch möglichst bald wieder zu besuchen. Ich kann es kaum abwarten, noch mehr deiner Kinderbilder zu sehen." Luzifer schnaubt verachtend auf. Ich werfe ihm einen warnenden Blick zu, den er jedoch nur achselzuckend quittiert. Wenn er sich nicht zusammenreißt, soll er gehen. Ich lass mir nicht den Abend von seiner miesen Laune verderben.

Nach dem Essen, das wir überwiegend in Stille verbracht haben, entschuldigt sich Jonathan, um die Toilette aufzusuchen.
„Luzifer, verdammt, was sollte das? Du sollst ihn kennenlernen und nicht verhören." Luzifer wendet sich mir zu, während er entspannt einen Schluck von seinem Wein trinkt. „Entschuldige, das ist wohl eine meiner Gewohnheiten. In meinem Job lernt man eben keine Leute kennen, man.." "Zerreißt sie schon beim ersten Atemzug in der Luft?", werfe ich provozierend ein. Ein Schmunzeln ziert seine schönen Lippen. „So leicht ist es auch wieder nicht, aber vielleicht sollte ich mir das merken. Damit würde ich mir einiges an Zeit einsparen." „Jonathan ist keine dieser grausamen Seelen, über die du in der Hölle richtest! Verstanden? Benimm dich ein wenig.." Er unterbricht mich. „Menschlicher? Alice, ich bin der Teufel. Den Namen trage ich nicht umsonst. Ich bin weder menschlich, noch will ich es sein. Ich traue dem Kerl nicht und dabei bleibt es." Ich schüttle enttäuscht meinen Kopf. „Gut, dann ist es eben so. Aber sei doch wenigstens etwas freundlicher zu ihm." Als ich sehe, wie er etwas einwerfen will, greife ich sachte nach seiner Hand, die auf dem Tisch liegt. „Tu es mir zu liebe." Noch bevor er antworten kann, ziehe ich meine Hand zurück und schon im nächsten Moment steht Jonathan vor uns.
Er nimmt Platz und blättert erneut in der Karte. „Wer hat Lust auf einen Nachtisch?"
Zu meiner Überraschung antwortet Luzifer vor mir mit einem tiefen „Ich", wobei seine Lippen ein Lächeln ziert, bei dem es mir kalt den Rücken runterläuft. Ich lehne mich leicht zu ihm rüber. „Was stimmt mit deinem Gesicht nicht? Ist irgendwas?" Er wendet mir seinen Blick zu und seine Augen funkeln düster. „Ich mache nur das, worum du gebeten hast. Ich bin ‚etwas' freundlich." Erschrocken mustere ich seine Gesichtszüge. „Du siehst aus wie ein Psychopath. Lass es, bitte lass es. Die Kellnerin fängt beim Bestellung aufnehmen bestimmt das Weinen an, wenn sie dich so sieht." Sein üblicher kalter und grimmiger Gesichtsausdruck kehrt zurück und ich atme entspannt aus. „Viel, viel besser. Mach das bitte nie wieder! Also das war richtig beängstigend, sogar mir wurde ganz bange.", sage ich, wobei meine Stimme einen leicht neckenden Ton annimmt. „Ich hab's ja verstanden, du freches Gör.", erwidert er, ohne seinen Blick von der Karte zu lösen.
„Also ich nehme eine Panna Cotta. Habt ihr euch schon entschieden?", frage ich, nachdem einige Momente vergangen sind. „Ja.", antworten beide synchron. Ich blicke kurz zwischen ihnen hin und her. „Werdet ja nicht zu ausschweifend, ihr zwei."

Ich atme die kühle Abendluft tief ein und spüre, wie eine Last von mir abfällt. Zum Glück ist das Essen geschafft. Das war verdammt anstrengend und vor allem unangenehm. Jonathan schließt das Auto auf und steigt ein. Ich öffne die Beifahrertür und will gerade einsteigen, als mir auffällt, dass Luzifer nicht den Anschein erweckt, als würde er auch einsteigen wollen.
„Kommst du?", frage ich ihn verwundert.
„Also bei ihm steige ich nicht mehr ins Auto. Der hat nicht mal einen Führerschein." Ich hebe grinsend eine Augenbraue. „Hast du etwa Schiss?" Luzifer verdreht nur die Augen. „Für heute habe ich eh genug gesehen. Ich hab noch Angelegenheiten, um die ich mich kümmern muss. Komm gut heim." Ohne auch nur ein weiteres Wort verschwindet er. Diskret wie immer.
Ich lasse mich auf den Sitz fallen. „Wir können los, Luzifer hatte noch was zu erledigen."
„Und, wie hab ich mich geschlagen?", fragt mich Jonathan, während er das Auto startet. „Zumindest hat er dir nicht den Kopf abgerissen; mehr können wir wohl nicht von ihm erwarten." Jonathan lacht leise und erwidert: „Das hat ihn sicherlich viel Beherrschung gekostet." „Zumindest habt ihr euch so mal persönlich kennengelernt.", sage ich achselzuckend.
Wir fahren durch die Dunkelheit und ich lasse meinen Kopf an die kühle Scheibe fallen. Jonathan erzählt irgendwas über seinen Tag, wobei ich die meiste Zeit nur mit halbem Ohr zuhöre, da ich gedankenverloren nach draußen starre.
„So, da sind wir." Ich fahre aus meiner Trance hoch und erst jetzt wird mir klar, dass wir bereits vor meinem Haus stehen.
„Danke fürs Fahren und den Abend."
„Ich hab zu Danken. Schlaf gut, Alice, wir sehen uns." Ich steige aus und hebe zum Abschluss nochmal meine Hand „Ciao, fahr vorsichtig; so ganz ohne Führerschein." Jonathan grinst nur, bevor er losfährt.

Ich krame in meiner Tasche nach meinem Schlüssel und laufe zu meiner Haustür. Doch auf halben Weg bleibe ich stehen und drehe mich herum. Das unangenehme Gefühl, dass mich jemand beobachtet, breitet sich in mir aus und es ist so, als würde ich eine übernatürliche Aura um mich herum spüren. „Du kannst raus kommen. Ich weiß, dass du da bist.", sage ich mit möglichst fester Stimme. Die Äste eines Busches auf der gegenüberliegenden Straßenseite werden von einer Hand beiseite geschoben und eine in Schatten gehüllte Person tritt auf den Gehsteig. Ohje; hätte ich nur lieber nichts gesagt. Die Person kommt langsam näher und sobald sie ins Licht der Straßenlampe tritt, atme ich erleichtert aus.
„Verdammt, du hast mir einen riesigen Schrecken eingejagt! Was lungerst du mitten in der Nacht vor meinem Haus herum?"
„Ich bitte dich, wer lungert hier herum? Ich sollte nur überprüfen, ob es dir gut geht."
„Hat Luzifer dafür nicht irgendwelche Laufburschen?"
„Tja, offensichtlich mich, sonst wäre er selbst hier und nicht ich."
Ein Grinsen umspielt meine Lippen.
„Na dann, Laufbursche, willst du noch kurz mit reinkommen?"
„Gerne doch. Ich muss doch sicherstellen, dass es dir gut geht."
„Schön, dich mal wieder zu sehen Satan, ich hab das Gefühl, es ist eine Ewigkeit her."
„Ganz meinerseits, Alice.", erwidert er und begleitet mich mit hinein.

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Hallo meine Lieben,
Ich drehe langsam zuhause durch.. geht es euch auch so? Hoffentlich konnte ich euch mit meinem Kapitel wenigstens für einige Minuten die Langeweile nehmen.
Bleibt Gesund und alles Gute, Eure Katharano!

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