Kapitel 88

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„Muss dir dein großer Bruder etwa noch beibringen, dass man bei rot nicht die Straße überquert?" Nachdem er mich kurz wachsam mustert, bildet sich ein neckendes Lächeln auf seinen Lippen.
Wie schon bei unserem letzten Treffen wird mir wieder bewusst, dass er haargenau so aussieht wie ich. Zwillinge eben; das ändert jedoch nichts daran, dass es gruselig ist, sich selbst als Mann zu sehen.
„Danke, ich.. du.."
Mehr bekomme ich nicht zustande, da ich mich glücklich, erleichtert und erschöpft um seinen Hals werfe.
Kurz überlege ich, ob ich mehr Distanz zu ihm wahren sollte, da ich ihn letztendlich nicht kenne. Als er mich einerseits fest, jedoch immer noch sanft an sich zieht, fühlt es sich jedoch einfach nur richtig an.
„Ich bin so froh, dich zu sehen."
Meine Stimme zittert, wobei mich das Gefühl puren Glücks überkommt. Das Gefühl, zu Hause und geborgen zu sein.
Das Gefühl, eine Familie zu haben.
„Ich werde dich nie wieder aus den Augen lassen, jetzt, wo ich dich endlich gefunden habe, Schwesterchen."
Wir stehen eine Weile eng umschlungen am Straßenrand und all die Sorgen der letzten Nacht sind wie weggeblasen.
Der Kummer und die Bedenken sind einfach weg; was zählt ist Jonathan, mein Bruder.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass ich mir seit unserem letzten Treffen nicht viele Gedanken über ihn gemacht habe. Wie chaotisch mein Leben sein muss, dass ich nicht mal Zeit dafür habe, den plötzlichen Familienzuwachs richtig zu wertschätzen.
Ich habe so viel Fragen. Wo er war, wie er in die Hölle gekommen ist, ich will einfach alles über ihn wissen.

Wir lösen uns voneinander, wobei ich meinen Blick einfach nicht von ihm wenden kann.
Er sieht verdammt nochmal genauso aus wie ich!
„Du starrst mich an.", sagt er und erneut liegt ein bezauberndes Lächeln auf seinen Lippen.
„Ich musste nur begutachten, ob mir meine männliche Variante gefällt.", erwidere ich nachdenklich.
Sein Lächeln wird breiter.
„Und, zufrieden?"
Ich zucke beiläufig mit den Schultern.
„Schon mal über eine Langaarfrisur nachgedacht? Steht uns beiden nämlich offensichtlich besser."
Er wuschelt sich kurz durch seine kurzen Haare und bildet einen Schmollmund.
„Da hast du wahrscheinlich recht. Wobei, jetzt wo du's sagst, ich wollte mir einen Bart wachsen lassen. Wenn ich deinen Damenbart so sehe, gefällt mir die Idee immer besser."
Ich ziehe interessiert meine Augenbrauen nach oben, wobei ich mir ein Lachen verkneifen muss.
„Wiederhole das noch einmal."
„Keine Sorge, ich sagte, dein Bärtchen steht dir ganz ausgezeichnet." Ich boxe ihm leicht mit dem Ellenbogen in die Seite, bevor wir beide anfangen zu lachen.

„Hast du Zeit?"
Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ich eigentlich Schule habe, nicke ich zustimmend.
„Wollen wir einen Kaffee trinken gehen?", fragt Jonathan sichtlich erleichtert.
„Nichts lieber als das."
Abgesehen davon, dass ich Jonathan endlich besser kennenlernen will, brauche ich unbedingt Koffein, sonst fallen mir hier und jetzt meine Augen zu.
„Gleich da vorn ist ein Café, wie wäre es damit?"
„Perfekt, nehmen wir doch gleich das."
Die Ampel schaltet zum 100. mal, seitdem wir hier stehen, auf grün um und die Menschenmenge drängt sich an uns vorbei, während wir in die entgegengesetzte Richtung zum Café laufen.

„Ich hab so viele Fragen, ich platze gleich vor Neugierde. Ich will einfach alles über dich wissen."
Er hält mir die Tür des kleinen Ladens auf und lässt mir den Vortritt.
„Ich hoffe, deine Neugierde stillen zu können, denn glaube mir, ich hab einiges zu erzählen."
„Du genießt meine ungeteilte Aufmerksamkeit."
Wir setzen uns an einen freien Tisch am Fenster, bestellen bei dem Kellner zwei Kaffee, ein Croissant und einen Muffin.

„Wollen wir mit dem Verhör anfangen? Wie wäre es, wenn ich dir einfach ein wenig über mich erzähle, bevor du mir Löcher in den Bauch fragst?" Ich nicke zustimmend, während ich vor Aufregung nun doch Hunger bekommen habe und an meinem Muffin knabbere.
„Mein Name ist Jonathan Hunter. Mein Alter kann ich dir wohl sparen, oder? Aber nur, dass du es weißt, ich bin zweieinhalb Minuten älter und auf die bestehe ich." Ich grinse leicht, er ist mir schon jetzt mehr als sympathisch.
„Da ich dich in der Hölle zum ersten Mal getroffen habe, nehme ich an, dass du die Wahrheit über unsere Eltern kennst?"
Ich nicke.
„Dass sie gestorben sind bei dem Versuch, uns zu schützen?", frage ich unsicher, nicht dass auch das mal wieder nicht stimmte.
„Das stimmt leider, sie teilten sich damals auf. Mum brachte dich zu Mister Clark, während Dad mich zu Bekannten außerhalb der Stadt brachte. Sie dachten, so sei es sicherer. Wie du weißt, haben sie beide die Flucht nicht überlebt.
Mein Ziehvater Marcus Hunter erzählte mir viel über sie, er kannte zumindest Mum anscheinend von früher. Er war immer ehrlich zu mir. Auch wenn er mich behandelt hat wie seinen eigenen Sohn, so hat er mir die Wahrheit über meine echten Eltern nie verschwiegen. Und auch nicht darüber, was wir wirklich sind."
Ich schlucke. Er ist also ein einem ganz anderen Glauben aufgewachsen als ich. Oder wohl eher mit der Wahrheit.
„Nur von einer Sache hatte mein Vater wohl keine Ahnung, nämlich von dir. Erst jetzt habe ich über unseren Familienstammbaum von dir erfahren.
Natürlich hab ich mich sofort auf die Suche nach meiner kleinen Schwester gemacht. Das hat sich jedoch als eine größere Herausforderung ergeben als gedacht. Wie soll ich sagen, ihr wart die letzten Jahre nicht gerade sesshaft.
An dem Abend in der Hölle habe ich endlich in Erfahrung gebracht, wo du wohnst. Dass ich dir dort über den Weg laufe, war überhaupt nicht geplant. Aber was wäre ich für ein Mensch, nach all der jahrelangen Suche nicht wenigstens einmal Hallo zu sagen?
Aber jetzt, da ich dich endlich gefunden habe, wird alles gut! Gemeinsam können wir alles schaffen."
Ich nicke lächelnd.
„Das stimmt, da bin ich mir sicher."

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Joar Hallo zusammen,
Lang ist's her.
Ja, es geht weiter für alle die dachten ich hab die Lust verloren und aufgegeben.
Hab eine Pause gebraucht, den Sommer genossen und jz geht es hoffentlich weiter.💪🏽
Da ich jedoch in zwei Wochen nach Neuseeland fliege, kann ich euch schon jetzt sagen, dass ich es nicht schaffen werde regelmäßig zu updaten. 😍🇳🇿🔥

Liebe Grüße Katharano💞

Hello Devil, nice to meet you!  Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt