1 | „Du bist genau so..."

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Es entstand schon wieder eine Diskussion mit meiner Mutter.

,,Du hast gefälligst nicht so mit mir zu reden, verstanden?!", schrie sie mich an und wir sahen uns sauer in die Augen.

Ich hasste es, wenn sie mich anschrie. Es fühlte sich an, als würde sie mich einfach mit ihren Worten und ihrer Tonlage zusammenschlagen. Vielleicht würde sie es tun, aber nicht diesmal.
Das lasse ich nicht zu.

,,Das reicht.", sagte ich und ging hoch, nahm meine Tasche raus und packte Klamotten rein.
,,Was tust du?!", fragte Mom schockiert.

Schnell schloss ich den Reißverschluss der Tasche und ging runter, ohne Mom zu beachten.

,,Ich sagte, wohin willst du?!", schrie sie und ich drehte mich sauer um.

,,Ich gehe zu Dad!", schrie ich zurück, nahm die Schlüssel und als ich meine Jacke anziehen wollte, tauchte Mom neben mir auf.
,,Bitte nicht...", murmelte sie mit einer traurigen Stimme und ich sah sie verwirrt an.

Ihre Augen wurden glasig und langsam wusste ich, dass ich schwach werden könnte, dass ich ihr verzeihen würde.

Sie spielt das alles nur, Ann, geh nicht drauf ein!

Ich schenkte ihr einen letzten Blick und ging raus. Ich griff in meine Strickjacke und schluckte die Tablette.

Alles lief scheisse in meinem Leben.
Die Drogen zeigten die Nebenwirkungen, meine Noten waren die schlechtesten, meine Freunde waren die hinterhältigsten und meine Familie die unfähigste.

Wann würde sich alles verändern?
Wann könnte ich einfach durchatmen, ohne irgendwelche Probleme, die ich versuche mit Drogen zu unterdrücken?

Da kam es. Ein schwarzes Auto, eher ein Sportwagen.
Dieses Adrenalin Gefühl überkam mir.

Du schaffst das, Ann!

Die Ampel war rot und es würden keine zehn Sekunden dauern.

Nur für zwei Sekunden Schmerzen, dass überstehst du schon!

Immerhin wäre es besser, als sich jeden Tag den Tod zu wünschen und sich selbst zu verletzen. 
Anscheinend mochte mich Gott doch, denn er gab mir die Gelegenheit endlich zu sterben. Natürlich werde ich diese Chance ausnutzen.
Wenigstens dann, könnte ich Ruhe haben.

Ich zählte mit.
,,Fünf...", fing ich an und ging mit meinem linken Fuß vor,
,,Vier...", Rechter Fuß,
,,Drei... Zwei...".

Ich war ein Stückchen auf der Straße und als das Auto über die Ampel fahren wollte, stellte ich mich davor.

Ein lautes Geräusch der Bremse konnte man hören. Meine Augen waren geschlossen. Die Luft war immer noch so rein, wie davor und dann hörte ich die Autotür aufgehen.
Eine Berührung.
Jemand hatte mir am Arm gefasst, ich konnte es spüren.

,,Geht es dir gut?", fragte die männliche Stimme.

Meine Augen waren immer noch geschlossen, aber ich war im Stehen.
Ich schüttelte meinen Kopf.

Schon wieder nicht! Es klappte schon wieder nicht! Wieso nicht?!
Wieso ließ es mir nicht zu, zu sterben?
Was wollte es noch von mir?

Ein lautes Seufzen konnte man hören.
,,W-Willst du zum Arzt?"

Heftig schüttelte ich meinen Kopf. Wenn ich zum Arzt gehen würde, würde man die Drogen im Blut sehen und dann wäre ich in noch heftigeren Schwierigkeiten.

Ich getraute mich meine Augen zu öffnen.

Die braunen Haare, die nach oben gestylet waren, die braunen Augen, die in die Umgebung blickten, die Adern, die man an seinem Arm beobachten konnte, diese dünnen Lippen, die er andauernd befeuchtete, zeigten Nervösität.
Er rief jemanden an, doch sah mich noch nicht.

,,Eh, ja, Caleb, i-ich kann nicht kommen, sag es den anderen Bescheid, erkläre ich dir später.", sagte er und lag auf.
Ich grinste benommen und sah auf den Boden.

,,Warum dieses Grinsen?", fragte er verwirrt und ich sah ihn an.

,,Wegen mir musstest du die Party absagen, oder was?", fragte ich und er sah mich verwirrter als davor an.

,,Woher ich weiß, dass du auf eine Party wolltest? Einmal im Jahr feiert Louis eine riesen Homeparty in seiner Villa und heute ist der Tag. Die Stadt ist nicht so groß.", sagte ich.

Er versuchte das Thema zu wechseln.

,,Dir geht's gut, oder?", fragte er und ich sah ihn erstaunt an.

,,Wow...", kommentierte ich und wieder sah man die Verwirrung in seinem Gesicht,
,,So viel Fürsorge ist zu viel für mich. Vorallem wenn ich 17 Jahre lang nicht einmal so viel Aufmerksamkeit von meinen Eltern bekommen hatte."

Mir war erst später aufgefallen, dass wir immer noch mitten auf der Straße standen und zu unserem Glück kein Auto vorbeifuhr.

,,Ehm... Das tut mir leid.", entgegnete er vorsichtig und ich lachte leicht.

,,Du bist genauso...", unterbrach ich mich selber, als ich umfiel.

Angel Ine Where stories live. Discover now