5 | „Wieso ich...?"

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,,Weil...", fing ich an und überlegte.

Bevor ich überhaupt antworten konnte, fiel mir Luke ins Wort.

,,Weil ihre Mutter gerade vereist ist und sie Angst hat alleine Zuhause zu bleiben.", log Luke und ich atmete tief Luft aus.

,,Und ihr beiden wollt mir ernsthaft sagen, dass ihr euch nicht kennt?", fragte sie weiter.

,,Wir-"

,,Ich sagte nicht, dass wir uns gar nicht kennen. Ich sagte nur, dass wir nicht in einer Beziehung sind.", unterbrach mich Luke und ich lächelte.

Er rettete wirklich mein Leben und dafür war ich ihm dankbar.

Seine Mutter sah uns analysierend an, doch nickte anschließend.

,,Na gut. Ihr habt mich überzeugt. Na wenn das so ist, Angeline. Wie wäre es, wenn du eine Zeitlang erstmal hier bleibst?", fragte sie und ich sah zu Luke, der auf den Boden schaute.

,,Dass ist wirklich nett, aber ich kann nicht.", antwortete ich.

Luke sah mich sofort verwirrt an.

,,Ich muss zu meinem Vater in Denver.", fuhr ich fort und sie sah mich überrascht an.

,,Denver ist aber ganz schön weit von hier.", sagte sie. ,,Ja, ich weiß. Aber ich habe keine andere Wahl.", gab ich bekannt und lange herrschte Stille.

,,In Ordnung. Wir essen jetzt.", sagte seine Mom und ich nickte.

Langsam wollte ich auf die Toilette, als plötzlich Luke mir folgte.
Ich stoppte vor dem Badezimmer und sah ihn fragend an.

,,Du kannst doch nicht einmal zu deinem Vater.", stellte er fest, doch ich antwortete nicht.
,,Ist es nicht so?", wollte er sicher gehen. Ich sah nur auf den Boden und konnte ein Seufzen hören.
,,Angeline...", sprach er und ich sah ihn überrumpelt an.

So schön hatte noch nie jemand meinen Namen ausgesprochen.
Vielleicht lag es daran, dass ich Menschen hasste und nie in deren Nähe sein wollte.

,,Ich werde dich nicht zwingen, denn ich kenne dich nicht einmal. Aber soweit ich dich jetzt erlebt habe, seit Gestern Abend, weißt du doch nicht einmal selbst was zu tun ist.", artikulierte er und ich sah erneut auf den Boden,
,,Das Telefonat Gestern mit deinem Vater, Okay? Ich habe gesehen, wie du rangegangen bist und mit welchem Gesichtsausdruck du aufgelegt hast. Oder die Worte, die du gesagt hast. Sag mir nur eins..."

Ich sah in seinen schokobraunen Augen und dann verzweifelt auf seine Lippen.

,,Kannst du zu deinem Vater oder nicht?", fragte er.
Ich blickte ihn leer an und schüttelte den Kopf.
,,Na also. Wir gehen da jetzt rein und ich werde meiner Mom versuchen zu erklären, dass du doch nicht nach Denver kannst.", erklärte er und ich nickte.

Ich musterte ihn, wie er wieder rein ging und dann ging ich selber ins Badezimmer. Ich drehte den Wasserhahn auf und betrachtete mich im Spiegel.

,,Wieso ich...?", murmelte ich verzweifelt.

Schnell befeuchtete ich mein Gesicht mit Wasser und drehte den Hahn dann zu. Ich trocknete noch mein Gesicht mit dem Handtuch ab und ging erneut in die Küche, wo Luke und die Mutter schon saßen.

Wie verhält man sich bei einem Familientisch?
Würde ich was falsch machen?
Redet man wirklich nie beim Essen?

Mit diesen Gedanken saß ich mich vorsichtig an den Tisch.
Luke und seine Mom fingen schon an zu essen, wobei ich nur den Tisch anstarrte.

,,Ich werde dir einen Raum vorbereiten, damit du deine Sachen dort ablegen kannst.", gab sie plötzlich bekannt und ich blickte sie an, während sie aber lächelte.

,,Ich danke Ihnen viel Mals.", fing ich an, doch sie schüttelte ihren Kopf.

,,Nenn mich Jane.", befahl sie freundlich und ich lächelte leicht.

,,Danke, Jane.", entgegnete ich und sah zu Luke, der seinen Orangensaft austrank.

Vorsichtig nahm ich mir den ersten Pancake und beobachtete Jane, wie sie diese aß.

Zuerst in zwei Hälften schneiden und dann nochmal schneiden. Schaffst du, Ann!

Ich tat das gleiche und steckte es in meinen Mund. Anschließend fing ich an zu kauen.

So aßen die Familien also...

Ich hatte ja keine Ahnung, wie man sowas tat. Wie man an einem Tisch zusammen aß, was man nicht machen durfte. Ob das Klischee stimmte, dass man nicht beim Essen reden durfte.
Meine Mutter hatte mir nur beigebracht, wie man Brote schmierte und dass nicht einmal richtig. Ich beobachtete sie nur, wie sie damals in der Grundschule meine Pausenbrote schmierte. Natürlich war es nicht einfach, ich war acht Jahre alt. Richtiges Essen machte sie nie. Entweder kaufte man fertiges Essen von draußen oder man schmierte sich Brot.
Ob mein Vater es mir nicht beibrachte? Mein Vater hatte mich verlassen, als ich sechs war. Also war das auch echt beschissen.

Angel Ine Where stories live. Discover now