61 | „Entspann dich."

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,,Ich wusste es nicht. Ich wusste es wirklich nicht.", sprach Dad und ich beobachtete ihn.

Er schien nicht zu lügen, dass konnte man schon sehen. Aber vielleicht war er ja auch ein echt guter Lügner, ich kannte ihn ja nicht so richtig.

,,Es ist mir auch egal jetzt.", zischte ich und sah in die Gegend.

,,Du darfst dich damit aber nicht belasten. Weißt du was? Geh doch Mal feiern."

Verwirrt guckte ich ihn an.
Meinte er das gerade ernst?

,,Dad... Ich weiß nicht, ob es dir schon aufgefallen ist, aber ich habe weder Freunde noch Menschen um mich herum mit denen ich Spaß haben könnte."

,,Was ist mit dem Jungen, den du für Luke ersetzt hast?", fragte er plötzlich und ich verstummte.

Er meinte Bryce, doch woher kannte er ihn? Hatte Luke es ihm erzählt?

,,Versteh' es nicht falsch, aber vielleicht solltest du dich einfach Mal ablenken. Angeline, dir geht es nicht gut. Seit Tagen isst du nichts. Du gehst zur Schule nur dann, wenn du Lust hast. Du redest kaum und gestern erfuhrst du Dinge, die nicht Mal ich so schnell verdauen könnte. Ich weiß, dass du mir immer noch nicht vertrauen kannst, aber als Vater kann ich dir nur empfehlen dich abzulenken. Bitte.", erklärte er und ich überlegte.

Plötzlich klingelte die Tür und Dad machte sie auf, während ich immer noch an der Theke saß und meinen Tee trank.

,,Es ist Bryce.", sagte Dad ohne, dass ich mich überhaupt umdrehen konnte, verschluckte ich mich und hustete sehr stark.

Was zur Hölle sucht Bryce hier?
Was war das für ein Zufall gewesen? Gerade hatten wir über ihn gesprochen.

Nachdem ich mit dem Husten aufhörte, stand ich auf und lief zur Tür. Bryce stand da an seinem Handy und war so sehr beschäftigt, so dass ich mich kurz räuspern musste, damit er mich bemerkt. Als er dies tat, packte er sein Handy weg und lächelte kurz, woraufhin ich immer noch verwirrt und mit verschränkten Armen vor ihm stand.

,,Ich gehe auf eine kleine Feier und hatte bemerkt, dass du in letzter Zeit sehr abweisend bist. Also, wollte ich dich fragen, ob du Lust hättest mit zu kommen?"

Er sprach so anders, als hätte er sich komplett verändert. Als wäre es nicht der Bryce, den Luke und ich hassten.

Ich hatte überhaupt gar keine Lust, doch trotzdem ging ich nochmal die Sätze von Dad in meinem Kopf durch. Vielleicht sollte ich ja doch gehen.
Es schadet ja nie.

,,Gib mir fünf Minuten.", gab ich bekannt und schloss die Tür, ging nach oben um mir eine Jacke zu holen und ging wieder nach unten.

Mein Vater sah mich lächelnd an.
,,Viel Spaß, Schatz."

Schatz...

Es war so, als hätte ich jahrelang nur auf so eine Bezeichnung gewartet. Es gab mir eine fröhliche Stimmung sofort und ich hatte ein gutes Gefühl dabei. Sofort lächelte ich zurück und verabschiedete mich.

Ich öffnete die Tür und folgte Bryce zum Auto. Wir fuhren los und ich versuchte nicht so über die schlechten Dinge in dem Moment zu denken, sondern eher es zu genießen. Klar, ich war nicht mit der Person, die ich liebe, dennoch wollte ich, dass es mir gut geht.

Nach langem Fahren kamen wir auch endlich an. Wir stiegen aus und von Außen sah dieser Ort einfach aus wie ein Puff. Der Eingang war in einer Sackgasse und langsam überkam mir ein schlechtes Gefühl.

,,Entspann dich.", hauchte Bryce in mein Ohr und ich versuchte es auch.

Als wir reingingen, blieb ich kurz vor Überraschung stehen. Menschen tanzten, tranken und rauchten. Mädchen küssten andere Mädchen und die Jungen machten mit den Weibern rum. Kurz gefasst, war es eine Art Club mit notgeilen und Drogensüchtigen Menschen.

Bryce grüßte ein paar seiner Freunde und teilte mir erneut mit, dass ich mich entspannen soll, ließ mich dann aber alleine. Planlos lief ich zur Bar und saß mich vorsichtig hin, als neben mir zwei Mädchen sich derartig küssten, sodass sie mich fast miteinbeziehen wollten.

,,Nein, danke. Ich bin nicht lesbisch!", schrie ich damit sie mich durch der lauten Musik hören konnten. Zwar habe ich wirklich nichts gegen Lesben, aber gerade war ich nicht in Stimmung mit jemanden fremdes rumzumachen. Ich bestellte eine Cola, da ich immer noch ein Alkoholproblem hatte und mir war so bewusst, dass wenn ich jetzt betrunken wäre, würde mich Bryce einfach in eine Ecke schleppen und vergewaltigen. Und das konnte ich mir definitiv sparen.

Langsam verfluchte ich mich schon fast selbst, wieso ich hier überhaupt hinkam. Es war ganz und gar nicht eine Ablenkung für mich. Eher war es sowas wie eine Unterstützung mich mit diesen Menschen anzupassen und die heftigsten Drogen zu nehmen. Die Cola kam an und ich trank ein Schluck, während der Barkeeper mich grinsend analysierte.

,,Vergiss es.", murmelte ich und er beugte sich zu mir, damit ich das verstehe, was er sagte.

,,Du siehst nicht aus, wie die Kids hier.", schrie er und entfernte sich wieder. Verwirrt beobachtete ich ihn, während er seine Unterlippe leckte und ich schon ahnte, was er vorhatte. Sofort stand ich auf und quetschte mich durch die Menschenmenge um den Ausgang zu finden. Bryce war mir scheißegal, denn ich versuchte gerade mein Leben zu retten. Ich passte nicht hier rein und mich überkam so ein schlechtes Gefühl, als würde sich mein Brustkorb verengen. Ich bekam keine Luft und mir war Weinen zumute.

Was war los?

Als ich den Ausgang fand, rannte ich sofort los und beachtete dabei die Jugendlichen, die sich gerade betranken, nicht. Es fuhr ein Taxi vorbei und ich stieg sofort ein, gab ihm die Adresse von Luke und dachte den schlimmsten Fehler meines Lebens gemacht zu haben.

Angel Ine Where stories live. Discover now