❃Kapitel 44

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Jimin Pov

"E-Ein was...?", wiederholte ich fassungslos und versuchte zitternd ein wenig Abstand zwischen uns zu bekommen. Ich hatte mit vielen Dingen gerechnet, ich hatte mir so etwas sogar einmal ausgemalt, doch den Gedanken hatte ich schnell wieder verworfen, da ich der festen Überzeugung war, dass Yoongi ehrlich mir gegenüber sein würde und nichts zu verbergen hatte. Dem war dann wohl doch nicht so, die ganze Zeit über hatte er schon ein Geheimnis und er hielt es nicht für nötig, mich über diesen winzigen Fakt über ihn in Kenntnis zu setzen. Nicht, dass es etwas geändert hätte, es auf diese Weise jedoch zu erfahren war für mich deutlich schlimmer.

Ich spürte Schwäche, ich fühlte mich wie ausgelaugt und ich war vermutlich nicht einmal im Stande dazu aufzustehen. Davonrennen wäre eine Option, die sich jedoch nur in meinem Kopf abspielte, denn körperlich war ich dazu noch nicht bereit und ich wusste, ich würde nach wenigen Metern vor Erschöpfung zusammenbrechen. Dieses Risiko war so groß, jedoch war es für mich nicht einfach, es hier auszuhalten mit dem Wissen, dass mir gegenüber ein nicht menschliches Wesen saß. Ein Wesen, welches sich von meinen Verfolgern unterschied und mir trotzdem nicht ähnelte, keinerlei Menschlichkeit aufwies und vielleicht genauso zum töten ausgelegt war, wie diese Werwölfe.

Es war verrückt, niemals hatte ich auch nur einen Gedanken an diese Wesen verschwendet, ihre Existenz war für mich ohne Frage nicht real, lediglich in den Fantasien der Menschen waren sie existent und nun - nun standen sie vor mir und ich war in eine Angelegenheit verwickelt, wie ich sie mir zuvor niemals hätte zu träumen gewagt. Das alles wurde von Sekunde zu Sekunde verrückter, unglaublicher und ich wusste nicht, wie ich diesen riesigen Ansturm an Informationen innerhalb kurzer Zeit verarbeiten sollte. Dass ich es mit außerirdischen Wesen zutun hatte, war mir zwar schon bewusst, doch mit einem die ganze Zeit unter einer Decke gelebt zu haben machte mich in diesem Moment einfach sprachlos.

"Jimin, sag doch was. Ich weiß, das alles muss ein Schock für dich sein, ich kann es verstehen, wirklich. Aber unternimm jetzt bloß keine Dummheiten, du musst mir vertrauen", vernahm ich Yoongi's räupernde, raue Stimme neben meinem Ohr, auch wenn er direkt vor mir saß und mir nicht einmal so nah war. Es lag wieder an dieser Benommenheit, das war schon einmal passiert und dieses altbekannte Gefühl machte sich wie eine Welle auf meinem Körper breit, hinterließ eine Gänsehaut und ließ meine Nackenhaare aufstellen.

"I-Ich weiß nicht... Yoongi, wieso?", fragte ich ihn und schaute unsicher auf den Boden, auf meine Hände, wie sie sich langsam zu Fäusten ballten und vereinzelte Bluttropfen auf ihnen abgebildet waren. Blut, welches mir gehörte, welches er nicht in sich aufgenommen hatte, da er durch Heruntertropfen verloren ging. Es war mein Blut und normalerweise hätte ich meine Hand direkt unter kaltes Wasser gehalten, ich war jedoch in einer Art Trance und konnte mich nicht bewegen, ich zitterte lediglich aus Angst, denn sie war vor mir. Sie war vor mir wie eine Dunkelheit, ich fing an mich zu fürchten, seine Präsens veränderte sich in der Sekunde, als er seine scharfen Zähne in meine Schulter rammte.

"Ich konnte es dir nicht sagen, du hättest niemals Vertrauen zu mir gefunden. Du hättest Dummheiten angestellt, wärst umgebracht worden und damit wäre keinem geholfen", erklärte er mir mit ruhiger Stimme, er hebte seine Hand und wollte sie auf meine Wange legen, jedoch bemerkte er meinen starren Blick auf seine Hand und ließ es dann doch bleiben. Körperkontakt war das letzte, das ich in diesem Moment brauchen würde, doch ich wusste auch nicht, was ich gerade benötigen würde. Ich wusste es nicht, ich wollte vieles und gleichzeitig nichts.

"Wieso tust du das? Wieso beschützt du mich? Wieso interessiert es dich, ob ich lebe oder sterbe? Wieso, Yoongi, wieso?", Fragen über Fragen, die ich gerne von ihm beantwortet hätte, gleichzeitig wollte ich keine Antwort darauf hören. Es war, als wäre ich in einem Zwiespalt gefangen und es würde keinen Weg hinaus geben. Ich wusste nicht was ich wollte, was ich glauben sollte und wie ich nun reagieren oder handeln sollte.
Ich atmete einmal tief durch, blickte in seine Augen, welche einen erschreckenden Rotton angenommen hatten, der mich scharf die Luft einziehen ließ. Was war das nur? Seine Augen sollten schwarz sein und nicht rot!

"Fürchtest du dich?", fragte er mich vorsichtig und leckte sich einmal über seine Lippen, um auch die letzten Bluttropfen in sich aufzunehmen. Es war so surreal, er war ein Vampir und trank mein Blut, welches er mir ohne jegliche Vorwarnung herausgesaugt hatte.
Meine Taubheit verschwand immer mehr, dafür kehrte meine Kraft wieder erwas zurück, auch wenn es noch eine Weile dauern würde, bis ich vollkommen regeneriert sein würde. Es war auf jeden Fall ausreichend um aufzustehen und schwankend oben zu bleiben.

Irritiert folgten Yoongi's Augen meinen Taten, er wollte sicherlich fragen, was ich denn nun vorhatte, doch selbst wenn diese Frage seinen Lippen entweichen würde, so hätte ich darauf sicherlich keine Antwort parat, denn ich wusste es selbst auch nicht. Was sollte ich nun tun? Ich wusste nicht, ob ich so weiter mit ihm unter einem Dach leben konnte. Was war, wenn er mich irgendwann umbringen wollte? Dann wäre ich ihm ausgeliefert und hätte keinerlei Chancen mich zu verteidigen. Es war gefährlich, alles war gefährlich für mich und ich wünschte mir in dem Moment nichts mehr, als einfach die Zeit zurück zudrehen und einfach damals von dieser Gasse fernzubleiben.

"Jimin-", er stoppte, nachdem er meinen Namen ausgesprochen hatte und schien selbst zu überlegen. Ich inspizierte ihn einen kurzen Moment, es gab keine weiteren äußerlichen Auffälligkeiten, die auf sein Vampir-Dasein hinwiesen. Er war die ganze Zeit über perfekt als Mensch getarnt, kein Wunder dass niemand je etwas gemerkt hatte. Nicht einmal ich und ich war wohl die Person, die die längste Zeit an seiner Seite war.
Ich atmete einmal tief durch, es war stickig hier und es fühlte sich so an, als würde ich kein Luft mehr bekommen.
Ich musste raus, ich musste verschwinden von hier.

Schnell drehte ich mich um, flüsterte ein leises, "Es tut mir leid", und rannte anschließend davon. Wohin wusste ich nicht. Hauptsache weg.

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Misery メ YoonminWhere stories live. Discover now