Kapitel 8

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Oh nein, das hatte ich ihm gerade nicht wirklich an den Kopf geworfen oder? Ich hatte ihm nicht ernsthaft gesagt, dass er das Arschloch war, dass mir meine Präsentation versaut hatte. Doch, doch das hatte ich. Und zwar mit Absicht, weil eigentlich hatte er es verdient zu wissen, warum ich ihn dauernd so anstarrte. Ich wollte irgendetwas. Eine Entschuldigung. Eine Wiedergutmachung. Oder so irgendetwas.

Der Ausdruck in seinen sturmgrauen Augen blieb unergründlich und er hob eine Hand, um sich mit seinen Fingern über sein Kinn zu streichen, was verstörend sexy aussah. Verdammt, ich hatte echt zu viel Alkohol im Blut, ich musste irgendwohin. Irgendwohin, wo ich alleine war, wo es still war und wo ich ausnüchtern konnte. Ja, das klang nach einer guten Idee.
Ich wollte gerade die Küche verlassen, doch seine Stimme hielt mich zurück.

"Ich bin was?", fragte er nonchalant und seine Augenbrauen wanderten in die Höhe. 
Ich stieß ein Seufzen aus. Wahrscheinlich hätte ich das wirklich nicht sagen sollen, aber wenn ich betrunken war schien es, als wären meine Barrieren in mir ausgeschaltet und ich schreckte vor nichts zurück. Ich könnte alles machen und würde es für den Moment nicht bereuen. Im Nachhinein betrachtet musste ich dann mit den Konsequenzen leben und verfluchte mein betrunkenes Ich, aber im Moment ging es mir gut. Das war auch der Grund, warum ich nicht ging, sondern seinen Blick mit vor gerecktem Kinn erwiderte.

"Du hast mich schon verstanden.", sagte ich säuerlich und war stolz, dass ich nicht lallte. Sollte er ruhig wissen, was ich von ihm hielt. "Du bist ein Arschloch... einfach mitten so in meine Präsentation zu platzen... wegen dir habe ich eine schlechte Note bekommen..."

Er grinste. "Zu recht, wenn ich das bemerken darf.", antwortete er und verschränkte die Arme vor seiner Brust, während er sich gegenüber von mir gegen die Kücheninsel lehnte. "Du hast andauernd gestottert, Worte wiederholt und bist mitten im Satz einfach ausgestiegen. Nicht sehr professionell, aber das ist eine persönliche Meinung. Dass du deine schlechte Note bekommen hast, ist nicht meine Schuld. Du solltest mal an deinem Lampenfieber arbeiten."

Fassungslos starrte ich ihn an. Es fehlte nur noch, dass mir die Augen aus dem Kopf fielen und mir die Kinnlade runterfiel. Was bildete er sich ein?! So ein arrogantes, selbstgefälliges-
"Spinnst du?", zischte ich und verengte meine Augen zu Schlitzen. "Meine Präsentation war nahezu perfekt, bis du reingekommen bist und mich aus der Bahn geworfen hast, weil du mich unterbrochen hast."

"Heißt das, dass mein Aussehen dich so sehr abgelenkt hat, dass du dich nicht mehr konzentrieren konntest?", fragte er mich mit glitzernden Augen.
"Was? Nein! Natürlich nicht, dreh mir die Worte nicht im Mund um.", murrte ich. Mittlerweile war mir schwindelig und auch schlecht und seine Anwesenheit trug nicht dazu bei, dass ich mich besser fühlte. Warum war ich eigentlich noch hier?

Bevor er etwas sagen konnte, hob ich eine Hand und massierte mir meine Schläfen. Betrunken zu sein war zwar lustig, aber ich konnte jetzt schon die Folgen spüren. Das würde überhaupt nicht lustig werden und wahrscheinlich würde ich einen echt schlimmen Kater haben...

"Ich geh raus...", murmelte ich vor mich hin, als sich die Küche erneut zu drehen anfing und mir in wellenartigen Stufen immer schlechter wurde. Was auch immer in diesen Bechern drinnen war, es war eine Scheißidee gewesen, diesen Mix zu trinken. Mir war schon total heiß und ich konnte mein Gesicht nicht mehr spüren.
Dieses Dreckszeug kickte rein wie nichts und ich konnte wortwörtlich fühlen, wie meine Laune von Sekunde zu Sekunde sank.

Wortlos stieß ich mich von dem Küchenregal ab und wäre beinahe nach vorne gefallen, aber ich fing mich wieder und torkelte hocherhobenen Kopfes aus der Küche. 
Sollte der Typ doch machen, was er wollte, ich würde jetzt raus an die frische Luft gehen oder ich würde in den nächsten Minuten am Boden liegen.
Meine Sicht wurde in unregelmäßigen Abständen unklar, was mir echt Angst machte, aber nach ein paar Sekunden war es wieder vorbei und ich konnte klar sehen. Bis zur nächsten Phase.

Protect HerWhere stories live. Discover now