Kapitel 43

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WARNING: LANGES KAPITEL (2000 Wörter)

Ich will nicht lügen, wenn ich sagte, dass meine akademische Karriere nahezu perfekt war, gut zu sein im College lag mir einfach. Aber das hieß nicht, dass ich eine Streberin oder verklemmt war, das war ich keineswegs.
Um ehrlich zu sein, liebte ich das Gefühl, betrunken zu sein. Alle Hemmungen verschwanden, alle inneren Schranken öffneten sich, ich war locker und fühlte mich unbeschwert. Ich hatte keine Angst, war nicht traurig und dachte nicht über Dinge nach, an die ich sowieso nicht denken sollte. Ich liebte das Gefühl, einfach mal ich selbst sein zu können und Spaß zu haben, ohne an die Grenzen zu denken. 
Wenn ich mit dem College abgeschlossen hatte, würde ich das ohnehin nicht mehr können, also lebte ich meine Jugend jetzt noch aus.

Der Tequila hatte, wie Xavier prophezeit hatte, mir den Abend verbessert. Die schwachen Getränke hätten eine Ewigkeit gebraucht, um mich angetrunken zu machen und würden mir außerdem schwer im Magen liegen, bei der Menge, die ich trinken musste, um locker zu werden.
Stattdessen hatten Xavier und ich einige Shots zusammen geleert, ehe er die halbvolle Flasche an eine Jungsgruppe weitergereicht hatte, die sich gefreut hatten, als wäre das schon ihr Weihnachtsgeschenk.

Danach waren wir auf die Tanzfläche gegangen und ich hatte kein Zeitgefühl, wie lange wir schon zusammen tanzten, aber das war egal, denn ich hatte nicht vor, jemals aufzuhören.
Alles, was ich wusste, war, dass wir im Laufe der Zeit näher aneinander geraten sind und sich seine Hände irgendwann auf meine Hüfte gelegt hatten. Es fühlte sich überraschend angenehm an.

Genau in dem Moment wurde die Musik merklich leiser und die Leute hörten allmählich auf zu tanzen und blickten in Richtung der Musikanlage, neben der Valerie stand und wartete, bis ihr genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
"Dreh die Musik lauter!", kam es aus der Menge und es wurde zustimmend gemurmelt.
"Das geht nicht", erklärte Val und ließ ihren Blick durch den Raum gleiten. "Wir haben soeben eine Beschwerde wegen der Lautstärke bekommen, weswegen wir für gut eine Stunde die Musik auf diesem Niveau haben müssen."
Ihre Aussage wurde mit einem allgemeinen Stöhnen und leisen Klagelauten kommentiert, doch immerhin kam keine Aufforderung mehr, die Musik lauter zu machen und niemand schien ansonsten groß zu protestieren.

"Ihr könnt auch zu der Lautstärke tanzen, wenn ihr wollt. Ansonsten unterhaltet euch einfach, geht raus oder trinkt was", schlug Val vor.
Sie schien schon fertig gesprochen zu haben und wollte gehen, als Ethan aus der Menge zu ihr trat und beide Arme hob.
"Oder ihr setzt euch zu uns auf die Bank und wir spielen 'Wahrheit oder Pflicht!", grölte er und einige Jungs hoben ihre Fäuste und reckten sie zustimmend in die Luft.

Die Menge teilte sich erstaunlich zivilisiert auf.
Die meisten gingen tatsächlich nach draußen und nahmen einige Flaschen und noch mehr Becher mit nach draußen. Ich freute mich, weil wir dann weniger zum Wegräumen hatten.
Andere tanzten lautlos zu der leisen Musik, während sich die Pärchen in die Küche verzogen. Ich wollte nicht gehen und nachsehen, was sie dort machten.

"Und? Was machen wir?"
Xavier sah mich erwartungsvoll an und ich bemerkte, dass seine Hände noch immer auf meiner Hüfte ruhten. Ich sagte ihm nicht, dass er sie wegnehmen sollte.
"Wie wäre es mit ein paar Runden 'Wahrheit oder Pflicht'?", schlug ich vor und schmiegte mich an ihn. Wenn ich angetrunken war liebte ich es zu kuscheln. Warum, wusste ich nicht wirklich, aber ich genoss die Berührungen einfach noch mehr als sonst.

Eine Sekunde lang blickte mich Xavier an, ehe seine karamellfarbenen Augen leuchteten auf.
"Was sich die Lady wünscht."
Ich nahm ihn an der Hand und wir gesellten uns zu der Gruppe, die sich schon um den Glastisch der Bank versammelt hatte, um 'Wahrheit oder Pflicht' zu spielen. Eine leere Bierflasche stand bereits in der Mitte und Xavier und ich ergatterten uns noch Plätze auf der Bank.
Ich sah mich um und bemerkte, dass die Runde erstaunlich groß war. Wir waren um die zwanzig Personen mindestens und ich erkannte Ethan und Val wieder, die eng nebeneinander auf dem anderen Ende der Bank saßen und sich nicht jugendfreie Worte zuflüsterten. Außerdem sah ich Nico, der neben einem Mädchen aus meinem Chemiekurs saß und sich mit ihr unterhielt. Sie war nett, konnte ich mich erinnern, doch ihr Name wollte mir nicht einfallen.
Es nahmen auch noch einige Jungs aus dem Football-Team teil und ansonsten Studenten, die ich vom Sehen und Smalltalk kannte.

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