Kapitel 9

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Überrascht blickte ich ihn an, musterte den Ausdruck seiner grauen, intensiven Augen und versuchte dabei nicht wegzublicken, was echt schwer war, weil sein Blick mich schon wieder unruhig machte. Ich sollte mich mal mit diesen Reaktionen auseinandersetzen, um ihnen ein Ende zu machen. Andererseits würde ich sonst nie eine normale Konversation zustande bringen, sondern mich andauernd fragen, warum mein Herz plötzlich schneller schlug oder meine Haut kribbelte, anstatt ihm zuzuhören. So wie jetzt.
Ich bemerkte, dass er mich abwartend ansah und mir schoss das Blut in die Wangen.

"Was? Könntest du das wiederholen?", fragte ich verlegen und knetete meine Fingerspitzen, damit ich ihn nicht mehr anblicken musste.
Er stieß ein tiefes, wohlklingendes Lachen aus, das über den Rasen hallte und mir einen Schauer über den Rücken jagte. Mir fiel auf, dass es nicht so schlau war, mitten in der Nacht alleine mit einem Jungen, den ich fast nicht kannte, betrunken auf einer Bank zu sitzen.
Doch irgendwie störte mich das nicht, vielleicht weil ich  betrunken war, vielleicht auch nicht.

"Natürlich kann ich.", erwiderte er mit einem süffisanten Lächeln. "Aber warum sollte ich?"
Ich verdrehte die Augen und stieß ein genervtes Seufzen aus. "Ach komm schooon.", meinte ich langgezogen und wippte meinen Kopf von einer Seite zur anderen. 

Er streckte seine Beine von sich, verschränkte sie und lehnte sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck gegen die Rückenlehne der Bank. "Was bekomme ich, wenn ich mich wiederhole?", fragte er und schnalzte genüsslich mit der Zunge.
Was? Das konnte nicht sein ernst sein...
"Du sollst dich nur wiederholen!", rief ich fassungslos aus. "Ist ja nicht so, als würdest du mir 'nen Drink ausgeben oder mir bei einem Test helfen."
"Dann musst du es ja auch nicht wissen."
"Muss ich eh nicht.", giftete ich zurück und wandte mich ab.

Sauer starrte ich in den Himmel und zählte die Sterne, während meine Gedanken auf Hochtouren rannten.
Es war lächerlich, absolut lächerlich und ich wusste, dass der Alkohol die Realität verzerrte und meine Emotionen stärker ausprägte, aber es ließ mich innerlich schäumen, dass er sich so zierte. Es war nur ein Satz, wahrscheinlich sogar noch ein richtig unwichtiger, aber es nervte mich, dass er so ein Theater daraus machte. 
Und irgendwie... wollte ich echt wissen, was er gesagt hatte...

"Du bist blöd.", sagte ich schließlich, ohne ihn anzusehen.
Ein weiteres Lachen ertönte von seiner Seite. "Ich dachte, ich bin ein Arschloch.", neckte er mich. Ich wollte sauer sein, ich wollte echt sauer sein, aber seine Art trieb mir ein Lächeln auf die Lippen. Es war nur gut, dass ich ihn nicht ansah.

Schließlich streckte ich mich, bis meine Arme erzitterten und stand auf. Das lange Sitzen hat meinen Körper ganz taub gemacht. Vielleicht waren es auch die Kälte und der Alkohol, aber ich nahm an, dass es das Sitzen war, weil ich das nicht mal nüchtern aushalten konnte.
Als ich mich zu Nolan umdrehte, sah er interessiert zu mir hoch und da war schon wieder dieser Ausdruck in seinen Augen, der mein Inneres ganz aufgeregt machte. Er sah so nachdenklich und ernst aus, aber da war dieses Funkeln, dass seinem schieferfarbenen Blick die Härte nahm.
Irgendwie wollte ich wissen, was ihm durch den Kopf ging, wenn er diesen Ausdruck draufhatte, aber ich wollte ihn nicht fragen, denn dann würde er mich nur noch mehr triezen.

"Ich gehe.", verkündete ich lauthals und machte zur Demonstration eine schnelle Drehung auf einem Bein im Kies, bei der ich beinahe umkippte. "Oder vielleicht drehe ich mich auch." Ein Kichern kam in mir auf und ich lächelte.

Alkohol war wie ein zweischneidiges Schwert, ein Licht, dass eine Schatten warf. 
Wenn ich betrunken war, kam der Alkohol in Wellen bis zu meinem Gehirn und dann konnte ich mich für eine Zeit gar nicht konzentrieren, ich bemerkte nicht, was um mich herum passierte und mir wurde schlecht. Aber dazwischen ging es mir echt gut und ich fühlte mich leicht, fantastisch und wie beflügelt.

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