Kapitel 18

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Zähneknirschend eilte ich über den College-Rasen. Meine Tasche hatte ich mir umgehängt, meine Hände steckten zu Fäusten geballt in meinen Manteltaschen. Ich war so sauer und... verwirrt, dass ich... sonst was tun könnte. Es war zum... Ausrasten...
Ich konnte gar nicht glücklich genug sein, dass der Tag noch zwei weiteren Kursen zu Ende war und ich mich endlich in die vier sicheren Wände meines Zimmers flüchten durfte. Dabei war der restlich Tag sogar schneller als normal vergangen, da ich die Vorlesungen damit verbracht hatte, meinen Gedanken nachzuhängen und mich mit mir selbst zu beschäftigen.

Erst war ich das kürzlich Geschehene nochmal durchgegangen. Ich hatte versucht zu verstehen, was diesmal falsch gelaufen war, dass sich Nolan und ich uns die Köpfe zerschlagen hatten, doch ich verstand es einfach nicht. Diesmal nicht.
Warum war er so ausgerastet? So außer Fassung geraten?

'Aber ich muss dich um jeden Preis beschützen, verdammt noch mal!'
Was hatte er damit nur gemeint? Dass er mich 'um jeden Preis beschützen' musste? Das klang beinahe so, als hätte ihn jemand gezwungen, bei mir zu sein, um mich zu beschützen...
Mein Herz setzte für einen Moment aus. War er nur bei mir, um mich zu beschützen? Vor was überhaupt? Und warum? War er nicht bei mir, weil er es wollte, sondern, weil er es musste?

Irgendwann hatte ich mich dann selbst gezwungen, meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, damit ich mich nicht in den Wahnsinn trieb. Das konnte nicht sein. Das war vollkommen absurd, wir waren in keinem Agenten-Film. Wobei das zumindest erklären würde, warum er hier war, obwohl er mir schon gesagt hatte, warum er hergezogen war...

Ich schüttelte meinen Kopf, so dass meine Haare über meine Schulter flogen und starrte auf den Boden. Die Wiese bestand nur noch aus trockenem, gräulichem Gras, das in wenigen Wochen vollends verkümmern würde. Das hielt die Studenten nicht auf, trotzdem Sport zu spielen und so würde mich das Geschrei der Menschen noch umgeben, bis der erste Schnee fallen würde.

'Rasend schnell näherte sich der LKW, stieß ein ohrenbetäubendes Hupen aus. Im nächsten Moment wurde ich zu Boden gerissen und mein Kopf schlug auf den Asphalt auf...'

Unbewusst fasste ich mir an die Schläfe, erwartete beinahe schon, dass ich zusammenzuckte oder eine blutige Kruste spürte. Doch da war nichts. Natürlich war da nichts, immerhin könnte ich mich daran ja erinnern oder?
Meine Ausreden, mit denen ich versuchte, mir reines Gewissen einzureden, trugen nicht dazu bei, dass ich mich sonderlich besser fühlte. Warum bildete ich mir so ein Szenario derart genau ein, als hätte ich es wirklich durchlebt? Es war, als hätte ich eine Nahtoderfahrung hinter mir und im Nachhinein wurden meine Erinnerungen daran gelöscht. Doch das war -wie gesagt- kein Agentenfilm, sondern die normale Welt, in der nichts Außergewöhnliches passieren konnte.

'Schwarze Federn flogen durch mein Sichtfeld. Sie waren überall; große und kleine, allesamt weiche, makellose Federn, viel zu groß für einen Vogel. Und dann legte sich ein schwarzer Schleier über mein Bewusstsein und bevor ich ohnmächtig wurde, spürte ich einen warmen Körper, der sich an meinen schmiegte...'

Beim nächsten Blinzeln verschwand die Szene vor meinem inneren Auge und ich befand mich wieder auf dem Rasen. Schon wieder! Warum hängte sich mein Verstand so sehr an diesen LKW, an diese Erscheinung, die mir offensichtlich nicht passiert war? Ich konnte mich auch sonst nicht erinnern, dass ich so etwas je im Fernsehen gesehen oder in Büchern darüber gelesen hatte und so blieb das ganze weiterhin ein Rätsel.

"Achtung!"
Ein Schrei riss mich zurück in die Realität und ich sah einen Football direkt auf mich zufliegen. Ich öffnete meinen Mund, aber ich würde nicht mal schreien können, bevor mich der Ball erreichen würde.
Einen Meter, bevor der Ball mich erwischte, stellte sich eine Gestalt vor mich und fing den Ball gekonnt auf. Die anderen Football-Spieler am Rasen klatschten sich johlend ab und jubelten, einer rief mir sogar eine lachende Entschuldigung zu.

Protect HerWhere stories live. Discover now