Kapitel 23

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So cool und teilnahmslos ich mich auch während der Kurse gab und Nolan damit sich in den Wahnsinn trieb -seinen intensiven Blick konnte ich wie eine Berührung auf mir spüren und sein Zähneknirschen ließ sogar die vor uns sitzenden Studenten mehrmals umdrehen-, ich konnte es nicht erwarten, dass der Kurs zu Ende ging und ich etwas essen konnte.
Ich grinste, als ich aus dem Augenwinkel bemerkte, wie er mich zum hundertsten Mal anstarrte. Jetzt war er mal derjenige, der mit der Ungewissheit lebte und nicht ich.

Obwohl mein Magen wieder mal ein eigenes Konzert im Knurren gab, packte ich mit dem Gong meine Sachen betont langsam zusammen und ließ sie in meiner Tasche verschwinden.
Dann drehte ich mich zu Nolan um, der mich erwartungsvoll anblickte und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Komm, lass uns was essen."

Mit dem hatte er scheinbar nicht gerechnet, denn das Lächeln, das er zögerlich erwiderte, verschwand sofort wieder. "Was?"
"Sag mir nicht, dass du keinen Hunger hast?", erwiderte ich und zog eine Augenbraue hoch.
Er blinzelte mehrmals, ehe er sich zu einer Antwort abrang. "Klar", stieß er aus. "Lass uns etwas zu essen holen."

Er überließ mir den Vortritt bei den Treppen aus dem Saal und holte mich am Gang wieder ein, um neben mir gehen zu können. Zusammen stiegen wir die Treppen hinab und er folgte mir auf dem Weg zur Mensa.
Kaum traten wir in den Speisesaal, stieg der Geräuschpegel unangenehm an, der Geruch von altem Essen lag in der Luft und ich fühlte mich augenblicklich unwohl. Von allen Orten war mir dieser noch das größte Übel.
Ich konnte das Essen nicht wirklich ausstehen, genauso wenig wie Menschenmassen. Doch es war ganz amüsant, meinen Sitznachbarn noch ein wenig mehr auf die Folter zu spannen.

"Miriam, wir sollten lieber-"
Ich drehte mich lächelnd zu ihm um und strich mir nachdenklich über den kleinen grünen Kaktus auf meinem Pullover. "Du brauchst nicht schüchtern zu sein.", antwortete ich sanft und missverstand seine Worte mit voller Absicht. "Die Menschenmengen sind für jeden am Anfang abschreckend, aber das wird lustig. Vertrau mir."

Ich nahm ihn am Ärmel seiner Jacke und zog ihn zur Schlange, die auf Essen wartete.
Während wir Schritt für Schritt weiterkamen, musterte ich Nolan unauffällig.
Sein Blick wanderte ruhelos durch den Saal und es schien mir, als könnte er sich gar nicht sattsehen. Ob es dort, wo er herkam, auch so ein Gedränge gab?
Die Frage brachte mich zum Grinsen und ich überreichte ihm ein Tablett, bevor ich mir selbst eines nahm. Zwar sank meine Euphorie ein wenig, als mir die Küchendame mit einem leeren Blick einen Teller voll mit weißer Pampe auf das Tablett stellte. Sah für mich aus wie ein Milchreis, garniert mit Karfiol-Stückchen und Zwiebel. Mhh, wie... schmackhaft...
Bevor ich wegging, schnappte ich mir noch zwei Äpfel und ging mit Nolan -der ebenfalls das weiße Mischmasch mit naiver Neugierde begutachtete- zu einem der hinteren Tische.

"Was ist das?", fragte Nolan mit gerunzelter Stirn, nachdem er gegenüber von mir Platz genommen hatte, und zeigte auf den Teller.
Ich zuckte unschuldig mit den Schultern. "Essen. Probiere es doch mal."
Nolan musterte das Essen noch einen Moment, ehe er mit den Schultern zuckte, zum Löffel griff, ihn in der Pampe versenkte und ihn sich zum Mund führte. Seine Lippen schlossen sich und er fing genüsslich an zu kauen.
Mit einer schadenfrohen Freude beobachtete ich, wie sein Gesichtsausdruck erst nachdenklich, dann geschockt und schließlich entsetzt wurde. Ihm wich die Farbe aus dem Gesicht, bis er beinahe so bleich wie die Masse auf dem Teller war und er nahm sich eine Serviette, um das, was er im Mund hatte, hineinzuspucken. Dann griff er erstmal zum Wasserglas, das ich ihm bereitgestellt hatte und trank es aus.

"Was in Gottes Namen", stieß er aus und sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. "war das bitte!? Das hat unglaublich eklig geschmeckt."
"Willkommen an unserem College. Ohne einmal das Essen probiert zu haben wirst du kein vollständiger Student."
Er warf mir einen genervten Blick zu. "Danke für die Information."
Ich biss unberührt von meinem Apfel ab. "Gern geschehen."

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