Kapitel 36

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Am nächsten Tag drehten sich meine Gedanken einzig und allein um das, was nach meinen Kursen war. Als dann mein letzter Kurs wirklich vorbei war, hatte sich so viel Spannung in mir gesammelt, dass ich mit dem Klingen der Glocke von meinem Platz hochschoss. Das wiederum brachte mir einen skeptischen Blick von Nolan ein, doch weder er noch ich verloren ein Wort darüber, warum ich mich so hastig zusammenpackte, dass ich diesmal auf ihn warten musste und nicht mehr auf mich.
Das Schweigen lag schwer zwischen uns und war mehr als spürbar, während wir uns nebeneinander durch den vollen Gang schlängelten und die Treppen hinunterstiegen. Als wir schließlich durch die Tore ins Freie traten hielt er es nicht mehr aus und er bekam mich am Arm zu fassen und führte mich in eine windgeschützte Nische neben den Haupttreppen.

"So", fing er an und fuhr sich durch seine Haare, als wäre er unruhig. "Willst du mir vielleicht mal sagen, warum du so hibbelig bist?"
Ich schulterte meine Tasche erneut und drückte sie an mich. "Ich bin nicht hibbelig", widersprach ich ihm, obwohl wir beide wussten, dass das nicht stimmte. "Ich habe nur heute noch etwas vor und bin deswegen so aufgeregt."
Er schwieg, als würde er warten, bis ich meine Andeutungen weiter ausführte, doch ich war noch nicht bereit, ihm mehr über Xavier zu erzählen und damit riskieren, dass er alles unterband, als blieb ich ebenfalls stumm. Nolan ließ seinen Blick forschend über mein Gesicht gleiten und ich versuchte, möglichst unbeteiligt dreinzublicken um ihm keine Sorgen zu machen. Es war schließlich nur ein Treffen, also brauchte ich mich nicht schlecht zu fühlen oder ein großes Drama draus zu machen.

"Und du bist dir sicher, dass du mir nicht mehr erzählen willst?", fragte er mich nach einer einvernehmlichen Stille und mein Herz zog sich bei der Enttäuschung, die in seiner Stimme mitschwang, zusammen.
Ich verstand seine Sorge, denn wenn meine Freundinnen nicht da waren, machte ich mir auch Sorgen um sie, aber seine Sorge grenzte an eine gewisse Obsession, bei der ich nicht wusste, ob sie gesund war. Weder für ihn noch für mich.

Deshalb zwang ich mich zu einem halbherzigen Lächeln und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
"Es wird mir gut gehen. Das ist sicher."
Seine Augenbrauen wanderten misstrauisch in die Höhe. Es machte mich wahnsinnig, dass er mich nicht einfach glaubte, wenn ich ihm sagte, dass es mir gut ging, doch ich konnte ihn verstehen. Ich verstand ihn, denn ich würde auch nicht glauben, dass alles okay ist, wenn mir ganz offensichtlich nicht alles gesagt wurde.
"Vertrau mir", fügte ich hinzu und bemerkte zu meiner Erleichterung, dass seine Körperhaltung um einiges entspannter wurde.

Nach einiger Zeit ließ er seine Arme wieder locker hängen und atmete tief aus.
"Okay", sagte er und Überraschung machte sich in mir breit. "Ich vertraue dir."
Verwundert neigte ich den Kopf zur Seite. "Echt?" Ich konnte nichts dafür, dass meine Stimme so fassungslos klang, aber ich hatte das echt nicht erwartet.
"Reize es nicht aus, Miriam", murrte er mit zusammengekniffenen Augen, doch ich konnte das belustigte Funkeln darin erkennen wie Sterne in einer tiefdunklen Nacht. Dann hoben sich meine Mundwinkel und er lächelte mich an, was mein Herz schneller schlagen ließ. Ich blinzelte öfters hintereinander und mein Herzschlagrhythmus normalisierte sich wieder. Beinahe war es so, als wäre das nie passiert, doch ich würde diesen Rückfall, den mein verräterischer Körper hatte, nicht vergessen.

"Werde ich nicht, danke für dein Vertrauen."
Ich umarmte ihn und gönnte es mir, meine Augen kurz zu schließen und mich gegen seine Brust zu lehnen, als er seine Arme ebenfalls um mich legte. Seine Umarmungen hatten etwas Tröstendes und Beruhigendes an sich und ich konnte es nicht verneinen, dass ich seine Umarmungen wirklich genoss.

Als wir uns schließlich voneinander lösten, winkte er mir zum Abschied.
"Falls etwas sein sollte, ruf mich einfach an", meinte er und hielt sich zu wie zur Demonstration seinen Daumen ans Ohr und seinen kleinen Finger an seine Lippen. Seine Geste brachte mich zum Grinsen und ich nickte.
"Bis morgen, Nolan."

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