Nolan's Sicht

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Im ersten Moment versteifte ich mich, als sie sich an mich lehnte, doch ich tat nichts dagegen, denn wahrscheinlich war sie einfach zu betrunken, um von alleine gerade sitzen zu können.
Das, was ich dann doch für sie wiederholt hatte, war ohne nachzudenken über meine Lippen gekommen und eigentlich nicht das gewesen, was ich gesagt hatte, aber ich konnte ihr wohl schlecht nochmal sagen, dass sie mich wie ein U-Boot ansah, wenn sie es gar nicht mehr tat. Nun wünschte ich mir doch ein bisschen, dass ich mich einfach wiederholt hätte, denn dann wäre nicht dieser Schwachsinn über meine Lippen gekommen.
Aber es war zu spät, ich konnte meine Worte ohnehin nicht mehr zurücknehmen.

Ich konnte die Überraschung in ihren eisblauen Augen aufblitzen sehen, als sie sich wieder aufsetzte und ihre Pupillen weiteten sich. Ihre Lippen teilten sich leicht, was sie sehr unschuldig aussehen ließ.
"Habe ich da gerade etwas Nettes vernommen?" , fragte sie mich langsam und musterte mich.
"Ich bin nett.", erwiderte ich überheblich, was uns beide grinsen ließ.

"Also", fing sie nach einer Zeit an und da trat schon wieder der hochkonzentrierte Ausdruck in ihre Augen, den ich interessant fand. Als müsste sie sich konzentrieren, dass sie in ihrem Zustand nichts falsches sagte, was echt niedlich und lustig war.
"Wer bist du wirklich Nolan Ryder und warum bist du hier?"
Die Frage traf mich etwas unvorbereitet, aber was sollte ich antworten?

'Hallo, ich bin Nolan, aber eigentlich bin ich Nathaniel, ein Geschenk und Beschützer Gottes und außerdem ein Engel des Feuers. Zur Zeit bin ich jedoch nicht bei Gott, sondern hier bei euch Menschen, weil jeder Engel seine Aufgabe als Beschützer beweisen muss. Tja, und deswegen bin ich hier, wie so eine Art Schutzengel auf Bewährung. Ahja, und ich dein Schutzengel, nett, dich kennenzulernen.'
Ja, sowas in der Art würde als Vorstellung ganz fantastisch klappen.
Es gab nur so drei wichtige Regeln, die ich in der Zeit als Schutzengel beachten musste:

1) Das Wohlergehen des Schützlings steht an erster Stelle.
2) Der Schützling und die Menschheit darf von der Existenz der Engel nie erfahren.
3) Der Schutzengel darf dich weder in den Schützling, noch in einen anderen Menschen verlieben.

Also würde ich dabei gegen #2 verstoßen. Und das wäre das letzte, das ich wollen würde. Um genau zu sein, wäre es mir egal, wenn sie von unserer Existenz erfuhr, aber wenn man als Schutzengel auf Probezeit gegen eine der drei Regeln verstieß, hieß es, dass einem jeden Engel eine so drastische Bestrafung erwartete, dass sich keiner, der bestraft wurde, sich je erholt hatte.

"Ach, ich bin ein niemand. Und ich bin mit meiner Mom vor kurzem wegen ihrem Job hergezogen. Mein Dad hat uns nämlich verlassen und sie wollte etwas Neues starten."
Ich verzog meine Lippen zu einem amüsierten Lächeln. Zwar hatte ich nicht wirklich Lust, den Babysitter für sie zu spielen und dieser Sprint eben hatte mich ziemlich außer Puste gebracht, aber ich hatte soeben beschlossen, das beste aus meiner Zeit hier auf der Erde zu machen. Dazu zählte auch, dass einen guten Kontakt mit meinem Schützling zumindest versuchen würde. Die Betonung lag auf 'versuchen'. Wenn sie nicht wieder wegrennen würde...

Sie musterte mich mit finsterer Miene. "Ich hoffe, dass du kein Stalker bist."
Ihre Aussage kombiniert mit ihrem Gesichtsausdruck erweckten den Drang in mir, zu lachen, doch ich schluckte es hinunter. Ich würde es weder ihr noch mir erlauben, dass ich mich an ihrer Gegenwart zu schnell erfreute, sonst würde es später noch langweilig werden. Falls es überhaupt so gut werden konnte, dass es danach langweilig wurde.

"Bin ich nicht.", erwiderte ich schließlich und betrachtete sie eingehend. Mir gefielen ihre glatten Haare irgendwie nicht so gut wie ihre lockigen, da sah sie viel natürlicher aus.
Dasselbe konnte ich jedenfalls nicht von dem Teil, was sie trug sagen. Mir war von Anfang an aufgefallen, dass das, was sie trug, ein Fetzchen nichts war... Schon alleine ein Blick auf sie erweckte in mir ein unruhiges Gefühl und ich wusste nicht, warum.

Protect HerWhere stories live. Discover now