Kapitel 17

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Mit den Kopfhörern in meinen Ohren und dem Gesang von Camélia Jordana zu der verlangsamten Version von 'Moi C'est' räumte ich meinen Schreibblock aus meiner Tasche und legte ihn auf des Pult vor mir. Dann holte ich meine Stifte hervor und legte sie der Größe nach geordnet neben den Block, wobei ich die Marker der Länge nach liegend direkt über den Block legte. Ja, was das anging, war ich eine echte Perfektionistin, wahrscheinlich eine Angewohnheit, die ich von meinem Vater übernommen hatte.
Ich hielt in meiner Bewegung kurz in, während die Musik weiter durch meinen Körper wie Honig floss. Erinnerungen an meinen Vater trugen nicht dazu bei, dass mir mein Herz vor Freude aufging, wohl eher das Gegenteil.

Die Kopfhörer wurden mir aus den Ohren gezogen und ich zuckte erschrocken zusammen, als die Musik abrupt endete und durch das alltägliche Gequatsche der Studenten ersetzt. Sofort fühle ich mich seltsam nackt und mir wurde kalt.
Als ich zur Seite blickte, sah ich zu Nolan, der meine Kopfhörer um seine Finger gewickelt hielt und sich mit einem Lächeln auf den Lippen auf den Stuhl neben mir fallen ließ.

"Hey Miriam.", sagte er gut gelaunt und streckte erst seine Beine aus, um sie dann zu verschränken.
"Nolan.", erwiderte ich etwas genervt und nahm meinen Kopfhörer an mich, damit ich sie in meine Tasche stecken konnte. Die Tatsache, dass er mich aus meinem musikalischen Rhythmus gerissen hatte, überdeckte das zu schnelle Schlagen meines Herzens, das immer so verräterisch schlug, wenn er in meine Nähe kam. Oder wenn ich ihn einfach so. Oder an ihn dachte.

"Wie geht's, wie steht's?", fragte er mich gut gelaunt und lehnte sich nun auch noch nach hinten, um die Arme hinter seinem Kopf zu verschränken. Bei dieser Geste spannte sich das weiße Shirt über seine Brust und ließ nur sehr wenig Platz für Fantasie. Doch als ich die Andeutungen von Bauchmuskeln unter dem farblosen Stoff sah, brauchte ich auch keine fantasievollen Gedanken mehr.
Ich blinzelte und riss meinen Blick von ihm. Meine Augen fixierten die leere Tafel. Der Dozent würde hoffentlich bald kommen, denn es hatte bereits zur Stunde angeschlagen.

"Alles okay.", erwiderte ich knapp. "Danke für gestern."
Zwar spürte ich Nolans stechenden Blick auf mir, doch ich tat so, als würde ich es nicht merken, auch wenn meine Haut wieder zu kribbeln anfing und mir seltsam warm wurde.
Schon wieder fiel mir ein, dass ich mich noch nicht damit auseinander gesetzt hatte, da ich bis jetzt noch nicht die Zeit dazu gefunden hatte. Doch je mehr ich in Nolans Nähe war, desto mehr wurde mir bewusst, wie dringend ich mich damit beschäftigen musste, bevor noch falsche Gedanken in mir aufkamen, die meine Karriere im College gefährden könnten.

"Miriam-"
In dem Moment kam der Dozent zum Glück in den Saal und Stille kehrte ein, für die ich echt dankbar war. Der Unterricht fing ohne Umschweife an und weder mir noch Nolan blieb etwas anderes übrig, als sich auf die Worte des Dozenten zu konzentrieren.

"Also...", fing der ältere Mann müde an und ließ seine Augen durch den Saal gleiten. "Kann mir nochmal jemand sagen, was zur Gruppe der Erdalkalimetalle gehört und was wir voriges mal besprochen haben?"
Sofort schoss meine Hand in die Höhe und der Mann schaute in meine Richtung. "Ja bitte?"
Ich öffnete meinen Mund und wollte schon antworten, als mir Nolan zuvorkam.
"Zur zweiten Hauptgruppe, auch genannt die Erdalkalimetalle, gehören die Elemente Beryllium, Magnesium, Calcium, Strontium, Barium und Radium. Sie sind alle Leichtmetalle. Die Reaktivität der Erdalkalimetalle nimmt mit steigender Ordnungszahl deutlich zu. Die Leichtmetalle sind zweiwertig und liegen, außer Beryllium, als zweifach positive Kationen in den Verbindungen vor. Magnesium und Calcium gehören zu den 10 häufigsten Elementen der Erdkruste."

Nach und nach richteten sich die Blicke der übrigen Studenten auf Nolan, der sich rekelte und dann hinter vorgehaltener Hand ausgiebig gähnte.
Ungläubig starrte ich ihn an. Was- was war gerade passiert?
Ich öffnete meinen Mund, doch es kam kein Laut heraus, ich war einfach zu überrascht. Bis jetzt hatte niemand schneller aufzeigen können als ich, niemand wurde vor mir drangenommen. Ich war die Nummer 1 in meinem Kurs. Ich und sonst niemand.

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