Kapitel 34

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Man sagte, dass wenn die Zeit schön war, verging sie am schnellsten. Wie eine Achterbahnfahrt. Oder Eis essen, bevor es dir förmlich in den Fingern wegen der sommerlichen Hitze zerrann.
Wenn das stimmte, dann verging die Zeit, an der ich meinen Kopf auf seiner Schulter gelegt hatte wie eine gefühlte Ewigkeit.
Ich erlaubte meinen Gedanken sogar, an die Grenzen zu einer verbotenen Richtung zu wandern, spielte mit dem 'Was wäre wenn', bis mein Handy auf einmal einen Ton von sich gab und wir beide auseinanderwichen.

Schuldbewusst beugte ich mich zum Nachttisch und langte nach meinem Handy. Ich entsperrte es und öffnete meine Nachrichten, wo mir das rote Symbol einer neuen Nachricht entgegenleuchtete.
Als ich Xaviers Namen in meiner Liste sah, schlich sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen und ich drehte mich auf meinen Bauch, ehe ich den Chat antippte.

Hey, schönes Mädchen, wie geht's?

Mein Lächeln wurde breiter und ich dachte nur eine Sekunde nach, bevor ich ihm antwortete.

Hey Xavier. Hast du nichts Besseres zu tun, als mit Mädchen zu flirten?

Kurz zögerte ich, bevor ich die Nachricht abschickte und mein Handy wieder zur Seite legte.
Als ich aufblickte bemerkte ich Nolan Blick auf mir, eine stumme Frage, bei der sich mein schlechtes Gewissen wieder regte. Ich wusste, wie das für ihn aussehen mochte, doch wenn ich Nolan von Xavier erzählte, würde er sicher darauf bestehen, dass ich seine Nummer löschte, den Kontakt zu ihm abbrach und mich so verhielt, als wäre ich ihm nie begegnet. Wenn ich ehrlich war, dann würde es mich nicht einmal mehr wundern, wenn er aus heiterem Himmel auch den Kontakt zu meinen Freundinnen und Freunden verbat. Was Nolan und Sicherheit betraf wunderte mich nichts mehr.

"Wer war das?", fragte er nebenbei, doch sein starrer Blick zeigte, dass er voll und ganz bei der Sache war. Oder anders gesagt: er brannte darauf zu erfahren, wer mir geschrieben hatte.
Ich zuckte mit den Schultern und wich seinem Blick aus. "Niemand", erwiderte ich knapp angebunden.
"Miriam?" Er blinzelte nicht, kein einziges Mal.

Ich stieß ein langgezogenes Seufzen aus, suchte nach einer Ausrede, die nicht zu falsch klang. Wer sollte mir um diese Uhrzeit an einem Samstag schreiben? Ich hatte nicht viele Freunde und die, die ich hatte, lebten mit mir auf demselben Gelände. Und die Ausrede, dass es was schulisches war, würde an einem Samstagnachmittag auch nicht gelten.

"Ach, es war nur meine Cousine."
Er hob fragend eine Augenbraue und lehnte sich gegen den Kopfteil meines Bettes.
Ich nickte langsam. "Meine Cousine", bestätigte ich und versuchte dabei, so überzeugend wie möglich zu klingen. "Wegen der Sache mit Dad. Sie kann ihn nicht wirklich leiden und regt sich schrecklich auf über seinen Besuch vorige Woche."
"Und da schreibt sie dir jetzt?"
Ich schwieg einen Moment. "Sie hat es erst jetzt erfahren."

Nolan blickte mich abwartend an und ich überlegte, ob ich meine Lüge noch weiter ausführen sollte, doch ich hatte Angst, dass ich mich dann in einem Netz voller Lügen verstrickte, in dem er dann die Spinne war.
Ich wollte Nolan nicht anlügen, das war wirklich das Letzte, das ich wollte, nach allem, was er für mich getan hatte. Aber er konnte nicht über mein Leben bestimmen, als würde er mich besitzen.

Schließlich brach er den Blickkontakt ab und schaute auf mein Buch, das noch immer offen zwischen uns lag.
"Ich mag deinen Vater auch nicht wirklich", fing er überraschend an und ich hielt die Luft an. Nicht, weil mich seine Aussage traf, sondern weil er den Köder wirklich geschluckt zu haben schien. "Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, warst du..." er schien nach dem richtigen Wort zu suchen. "seltsam drauf."
Ein Lachen kam aus meinem Mund und ich strich mir meine Haare zurück. "Die Taylor-Transformation, wie es meine Freunde nennen."
"Das ist ein passender Begriff."

Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, doch es verschwand augenblicklich, als mein Handy schon wieder vibrierte. Ich griff danach und schaute darauf.

Protect HerWhere stories live. Discover now