Kapitel 1.07 - Realität und Fiktion

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Kapitel 1.07 – Realität und Fiktion 

 Am nächsten Morgen brauchte Severus eine gute halbe Stunde unter der Dusche, stellte die Temperatur mehrmals von heiß auf kalt und umgekehrt und war am Ende trotzdem nicht richtig wach. Er grollte. Zum Teufel mit normal! Nichts an diesem Schlaf war normal

 Während er sich anzog, beschloss er, Grangers Trank von nun an tagsüber zu nehmen. Und nachts würde er schlafen. Und das tatsächlich normal! 

 Ihm begegnete Stille, als er die Stufen ins Erdgeschoss hinunter stieg. Die Küche war verlassen, ebenso das Wohnzimmer. Dafür hörte er Geräusche aus dem Keller. Er bereute es beinahe augenblicklich, dass er diese Tür geöffnet hatte. Stickige, klebrige Hitze wallte ihm entgegen. Er rümpfte die Nase. Hatte diese Frau noch nie was von Frischluftzaubern gehört? Wie konnte sie so arbeiten? Er stieg die Stufen hinunter und erwartungsgemäß wurde es nur noch schlimmer. Als er am Fuß der Treppe angekommen war, glaubte er, jemand würde ihm ein Kissen aufs Gesicht pressen. 

 Granger hingegen schien gar nicht zu bemerken, was sie dem Trank und sich selbst antat. Sie sah nicht mal von ihrer Arbeit auf. Und so ging Severus zielstrebig auf ihren Zauberstab zu (er hatte immer noch keinen neuen bekommen; anscheinend standen seine Wünsche nicht besonders weit oben auf der Prioritätenliste). Er hatte ihn schon fast in der Hand, als sie wie aus dem Nichts nach eben dieser griff. 

 „Was haben Sie vor?" Sie funkelte ihn müde an. Ihre Haut war fahl und verschwitzt, die braunen Augen glänzten fiebrig. 

 „Sauerstoff, Miss Granger", schnarrte er. „Die Luft in diesem Raum kann man schneiden." Er hielt ihrem Blick stand und schließlich zog sie ihre Hand zurück. Mit einem kurzen Schlenker sprach er den Zauber und es war, als würde eine kühle Windböe durch den Raum fegen. Severus atmete auf. Granger auch, aber sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. 

 Er legte ihren Zauberstab zurück auf den Tisch und beobachtete sie bei ihrer Arbeit. Sein Wissen über medizinische Tränke war bis vor zwei Jahren recht aktuell gewesen und er hatte – wenn auch eher desinteressiert – immer dafür gesorgt, dass dies so blieb. Poppy hatte sich auf ihn verlassen. 

 Doch er hatte nie große Begeisterung für die medizinische Braukunst entwickeln können. Einzig der Wolfsbanntrank hatte ihn interessiert; die Zubereitung war herausfordernd genug, um ihn zu reizen. Vorausgesetzt er musste ihn nicht für Remus-verdammt-noch-mal-Lupin zubereiten. Für ihn hatte er ihn immer so gebraut, dass er besonders widerlich schmeckte, ohne seine Wirkung zu verlieren oder ihn umzubringen. 

 Wie dem auch sei ... Das, was Granger hier braute, war ihm unbekannt. Vielleicht war es die neue Variante des Trankes für seine Erinnerungsverarbeitung, aber mit Sicherheit konnte er es nicht sagen. Er kannte diese Zutatenkombination nicht und auch eine so extreme Hitze- und Feuchtigkeitsentwicklung war ihm bisher bei kaum einem Trank begegnet. Es erfüllte ihn mit einer sonderbaren Zufriedenheit, dass sie Forschung betrieben und ihre eigenen Tränke entwickelt hatte. 

 In diesem Moment legte Granger ein Messer mit Silbergriff klappernd auf den gefliesten Arbeitsplatz und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Sie streckte sich, um in den simmernden Kessel schauen zu können, rührte den Trank um und schöpfte etwas davon heraus, um es langsam zurückplätschern zu lassen. Ihre Nase zuckte kurz. „Kann ich was für Sie tun, Sir?", fragte sie dann und warf ihm einen kurzen Blick zu. 

 „Nein. Ich wollte Sie nur darüber informieren, dass ich Ihren Trank in Zukunft tagsüber nehmen werde. Ich brauche Schlaf. Normalen Schlaf", informierte Severus sie und verschränkte die Arme vor der Brust.  

Sie sah ihn an. „Gute Idee", sagte sie. „Dann kann ich Sie tagsüber beobachten." 

 Nun rümpfte er die Nase. „Das war nicht der Plan." 

Advocatus DiaboliWhere stories live. Discover now