Kapitel 1.09 - Waffenstillstand

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Kapitel 1.09 - Waffenstillstand 

 Das Aufwachen nach dem Trank der Lebenden Toten war ernüchternd. Severus schlug die Augen auf und er wusste sofort, wo er war, dass er diesen Trank genommen hatte und warum er es getan hatte. Diese barmherzigen Sekunden der Verwirrung, die sonst manchmal das Aufwachen begleiteten, gab es nicht. Er seufzte. Wischte sich über das Gesicht. Sein Magen knurrte.  

Trotzdem dachte er einen Moment lang darüber nach, gleich mit Grangers Therapie-Trank weiterzumachen. Aufstehen, sich anziehen, nach unten gehen, essen ... Das war ziemlich viel verlangt. 

 Sein Magen knurrte wieder. Severus rümpfte die Nase. Und dann stand er doch auf. Zog sich an. Ging nach unten. Und fand die Küche halb ausgeräumt vor. 

 Gut, nicht halb ausgeräumt. Aber der Tisch fehlte. Severus stand ein paar Sekunden lang bewegungslos in der Tür. Sein Gehirn wusste nicht, was es mit dieser Information anfangen sollte. Dann hörte er etwas und ging drei Schritte rückwärts, bis er wieder im Flur stand und nach rechts durch das Wohnzimmer hinaus auf die Terrasse schauen konnte. Da war der Küchentisch. Komplett gedeckt. Und zwei Stühle. Und Granger. Sie sah zu ihm. 

 Severus runzelte die Stirn. Er überlegte tatsächlich, ob er zu ihr gehen oder einfach im Stehen in der Küche essen sollte. Ihm war nicht nach Kontakt. Nach reden

 Aber dann senkte sie den Blick und er wusste nicht, warum ihn das einknicken ließ, aber das tat es. Er seufzte, schloss kurz die Augen und ging dann hinaus in die Sonne. 

 „Guten Morgen", sagte sie. Ihre Miene hatte sich aufgehellt, als sie bemerkt hatte, dass er rauskam. 

 „Morgen", murmelte Severus. Er setzte sich auf den freien Platz, goss sich Kaffee ein und butterte sich einen Toast, ohne sie anzusehen. 

 Eine Weile lang schwieg Granger. Aber dann fragte sie: „Wie geht es Ihnen?" 

 Severus brummte leise. Griff nach der Schüssel mit dem Rührei. 

 „Sie haben den Trank der Lebenden Toten genommen", sagte sie dann. 

 Severus hob den Blick, hielt mitten in der Bewegung inne. Um sein linkes Auge zuckte es. 

 „Ich hab die Phiole gesehen, als ich gestern Abend meinen Zauberstab aus Ihrem Zimmer geholt habe. Ich brauchte ihn, um den Stasiszauber von meinem Trank aufzuheben." 

 Er verzog den Mund, sah hinab auf den Löffel in seiner Hand. Es missfiel ihm, dass sie einfach sein Zimmer betreten hatte. Aber er konnte ihr kaum einen Vorwurf daraus machen. Er hätte ihr den verdammten Zauberstab zurückbringen sollen, bevor er sich hingelegt hatte. Nein, er brauchte seinen eigenen verdammten Zauberstab! 

 „Sir, haben Sie Probleme mit dem Schlaftrank, den ich Ihnen gegeben habe?" 

 „Nein", sagte er einsilbig. Warum war er bloß hergekommen? Sein Magen knurrte. Ach ja. Er stellte die Schüssel mit dem Rührei zurück. 

 Minutenlang aßen sie schweigend. Severus vermied es, Granger anzusehen. Heute war einer dieser Tage ... Manchmal konnte er einfach keine Gesellschaft ertragen. Vermutlich wäre es für sie beide angenehmer gewesen, wenn er tatsächlich eine Scheibe Toast im Stehen gegessen hätte und danach wieder in sein Zimmer gegangen wäre. 

 Er ließ seinen Blick über den Tisch schweifen. Sie hatte sich wirklich Mühe gegeben. Es gab Kaffee und Tee, Milch, Orangensaft, Toast, Porridge, Zitronenmarmelade, Rührei, sogar frisches Obst. Er sah zu ihr auf. Grangers Blick lag auf der Dimensionsbarriere, sie hielt ihre Tasse in der Hand. Das Sonnenlicht glänzte in ihren Haaren. 

Advocatus DiaboliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt