Kapitel 2.09 - Schuld

309 27 7
                                    

Kapitel 2.09 – Schuld 

 Severus ließ das Tablett mit dem Frühstück auf den Dachboden schweben und folgte ihm die Leiter hinauf. Im ersten Moment konnte er Adia nicht sehen und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, sie hätte einen Weg durch den Bann gefunden. Aber dann entdeckte er sie in der hintersten Ecke des Dachbodens. Sie saß auf den Boden gekauert, verschmolz beinahe mit den Schatten. 

 „Adia", sagte er, aber sie reagierte nicht. 

 Mit dem Zauberstab in der Hand näherte Severus sich ihr vorsichtig. Als er auf einen Meter an sie herangetreten war, ging er in die Hocke. Sie starrte ihn an. Aber sie schien ihn nicht zu sehen. Um ihre Augen zuckte es. Schweiß stand auf ihrer Stirn. 

 Severus schnaubte leise. Hermines Kopfkino schien ihre gesamte Aufmerksamkeit zu fordern. 

 Er erhob sich und kehrte hinter den Bann zurück. Er kühlte die Temperatur auf dem Dachboden auf 21 Grad herab, belegte das Essen mit einem Stasiszauber und kletterte die Leiter wieder hinunter. Wenn Hermine sich an diesem Kampf beteiligen wollte, würde er sie nicht davon abhalten. Im Gegenteil. Er war gespannt, wie Adia auf ihre eigenen Waffen reagieren würde. 

- - -

 Da Severus an dem Trank noch nicht weiterarbeiten konnte, setzte er sich mit dem Tagebuch auf die Terrasse. Heute regnete es. Jedenfalls in ihrer Nachbardimension. Der Regen lief an der Dimensionsbarriere hinab, es prasselte über ihm, als säße er unter einer Glaskuppel. Severus schloss die Augen und lauschte dem Geräusch ein paar Minuten, bevor er das Tagebuch aufschlug.

 16.05.2001

Malfoy hat es wirklich auf mich abgesehen. Als ich vorhin zurück kam, haben mir fünf Todesser aufgelauert. Ich musste Dumbledore davon erzählen, damit er prüfen kann, ob das Hauptquartier enttarnt wurde. Er ist nicht begeistert. Von nun an muss ich über Tonks' Kamin herkommen und gehen. Was will Malfoy bloß von mir? Was ist so besonders an mir?
Und wie würde Malfoy wohl gucken, wenn er wüsste, dass ich andauernd direkt vor seiner Nase herumlaufe und er bereits Wein mit mir in seiner Bibliothek getrunken hat?
 

 Severus stieß die Luft durch die Nase. Ja, den Blick von Lucius hätte er auch gern gesehen. 

 Aber ihm lief ein Schauer den Rücken hinunter, als er daran dachte, was mit Hermine passiert wäre, wenn Lucius sie tatsächlich in die Finger bekommen hätte. Zumindest dahingehend hatte Adia recht gehabt: Sie hatte Hermine mit ihren Kampfkünsten das Leben gerettet, als sie in diesen Hinterhalt geraten waren.

19.05.2001

Manchmal sitze ich wie betäubt in unserem Zimmer. Auf unserem Bett. Mit seinem Kissen auf dem Schoß. Und kann nicht glauben, dass er nie wieder die Tür aufmachen und mich angrinsen wird. 

 Severus schloss die Augen. Er war niemals in Hermines und Weasley Zimmer im Hauptquartier gewesen, aber er sah sie vor sich. Dieses gedankliche Bild raubte ihm für einen Moment den Atem. 

Es tut mir leid, dass ich Sie vor ein paar Seiten so beschimpft habe. Ich weiß, dass es nicht Ihre Schuld ist. Vielleicht ist es Dumbledores Schuld; er hat mich von Rons Truppe abgezogen. Aber es ist vor allem Malfoys Schuld. Er hat Ron umgebracht und jedes Mal, wenn ich ihn sehe, kann ich nicht atmen. Jedes Mal, wenn Adia mit ihm flirtet, möchte ich mich auf seine Schuhe übergeben. Jedes Mal, wenn er mich ansieht und mich für seine treue Dienerin hält, möchte ich ihm die Wahrheit ins Gesicht schreien.
Draco hat letztens gesagt, dass es ihm leid tut. „Es tut mir leid, dass Vater ihn umgebracht hat." Das hat er gesagt. Ich wollte mir die Ohren zuhalten. Ich will das nicht hören! Mir wäre beinahe der Trank misslungen, weil Adia so lange gebraucht hat, mich wieder nach vorne zu schleifen.
Wenn ich mich ganz weit zurückziehe und Adia die komplette Kontrolle überlasse, dann ist es, als würde ich schlafen. Dann ist Adias Realität mein Traum und ich kann für eine Weile vergessen, dass er nie wieder die Tür aufmachen und mich angrinsen wird.
 

Advocatus DiaboliWhere stories live. Discover now