Kapitel 2.15 - Gewitter

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Kapitel 2.15 – Gewitter 

 In den Tagen danach hatte Severus einen festen Plan. Einen ungesunden zwar, aber es war ein Plan. Noch dazu einer, der ihn davor bewahrte durchzudrehen. Und einer, der es ihm ermöglichte, Hermine aus dem Weg zu gehen. Oder sie ihm. Oder sie einander. Irgendwas davon und alles zugleich. 

 Er stand morgens mehr oder weniger verkatert auf, machte sich frisch und ging in die Küche, um ein warmes Essen zuzubereiten. Da das meistens seine einzige Mahlzeit blieb, aß er, solange es noch warm war. Hermine konnte sich das Essen später wieder aufwärmen, sie hatte schließlich ihren Zauberstab zurück. 

 Danach zwang er sich ein paar Stunden dazu, an seiner theoretischen Forschung weiter zu arbeiten. Ab und zu dachte er sogar darüber nach, eines der Experimente zu beginnen, deren Ergebnisse er brauchte, ehe er weitermachen konnte. Aber die Experimente ruinierten seinen kompletten Plan und er hatte genug Ideen gehabt im Laufe der Jahre, um vorerst auch ohne die Experimente beschäftigt zu sein, also verschob er sie. 

 Wenn es endlich zwei oder drei Uhr nachmittags und er wieder an dem Punkt angekommen war, an dem er es nicht eine Sekunde länger ertragen konnte, in diesem verdammten Haus eingesperrt zu sein, machte er es sich mit einer Flasche Feuerwhiskey oder Wein in seinem Zimmer gemütlich, trank sich einen kleinen Rausch an und ging ins Denkarium. 

 Es gab ein paar Erinnerungen darin, die draußen stattgefunden hatten – oder von denen aus er rausgehen konnte, ohne die Grenzen der Erinnerung zu übertreten. Es war nicht dasselbe, wie tatsächlich draußen zu sein; am Meer fehlte der Wind, im Wald der Geruch nach Moos, in allen Erinnerungen die Ruhe. Aber wenn er vorher genug trank, konnte er sich vorstellen, was die Erinnerung ihm nicht bieten konnte. Außer der Ruhe. Aber das war allemal besser als dieses elende Haus. 

 An diesem Tag hatte es ihn ans Meer gezogen. Zum Haus seiner Großeltern. Es gab nur eine Erinnerung im Denkarium, die dort stattgefunden hatte. Die Zeit dort gab ihm Kraft, er hatte keine andere dieser Erinnerungen ins Denkarium legen wollen. Severus versuchte, dem Geschehen in dieser Erinnerung so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu schenken, während er den Blick durch das kleine Fenster neben der Haustür hinaus auf die aufgewühlte Nordsee richtete. Wie lange war er jetzt schon nicht mehr hier gewesen? Ein Jahr? Etwas in dieser Größenordnung. Und wann er jemals wieder hierher kommen könnte, stand in den Sternen. Seine Großmutter würde ihm den Kopf abreißen. 

 Ein Geräusch riss ihn aus seinen Überlegungen. Komplett konnte er nicht ignorieren, was um ihn herum geschah. 

 Es war eine alte Erinnerung, er war noch nicht mal zwanzig gewesen. Sein Großvater hatte noch gelebt. Severus war direkt in ihren Hausflur appariert, weil er Hilfe gebraucht hatte. Dringend. Er hörte sein jüngeres Ich hinter sich stöhnen und zu Boden gehen. Dann hörte er seine Großmutter aufschreien. 

 Severus, der heutige, ging einfach durch die Haustür hinaus. In Erinnerungen war man wie ein Geist, physische Grenzen existierten nicht. Die Aufregung im Inneren des Hauses blieb hinter ihm zurück. 

 Während er an das Ufer hinter dem Haus herantrat, so weit die Erinnerung es ihm erlaubte, dachte er trotzdem an den Tag zurück, an dem das hier passiert war. Ein Todessertreffen war von Auroren gestürmt worden und bis Severus es aus dem appariergeschützten Bereich nach draußen geschafft hatte, war er von diversen Flüchen getroffen worden. 

 Er hatte geplant, zu Lucius nach Malfoy Manor zu apparieren, aber sein Geist hatte andere Pläne gehabt. Er war selbst überrascht gewesen, dass er bei seinen Großeltern gelandet war – und das auch noch in einem Stück. Eine so fehlgeleitete Apparation war eigentlich dafür prädestiniert, im Zersplintern zu enden. Aber ein Großteil von ihm war anscheinend überzeugt davon gewesen, dass er bei seinen Großeltern besser aufgehoben war als bei Lucius. 

Advocatus DiaboliWhere stories live. Discover now