Kapitel 3.09 - Jahrestage

329 26 10
                                    

Kapitel 3.09 – Jahrestage  

„Professor Flitwick hat seinen Springer von C8 auf G4 gezogen." 

 Severus neigte den Kopf, während er sich das Spielfeld wieder in Erinnerung rief. Sie spielten diese Partie jetzt seit zwei Tagen, weil Filius offensichtlich nur gelegentlich Zeit hatte, einen Zug zu machen. Was war bloß in Hogwarts los, dass er so kurz vor dem Ende des Schuljahrs keine Zeit hatte, um in Ruhe eine Partie Schach zu spielen? 

 Er rieb sich die Nasenwurzel. Springer von C8 auf G4. Auf seinem imaginativen Spielfeld zog er die Figur. „Setz meinen Springer von C4 auf D5", sagte er schließlich. 

 Er hörte, wie Hermine sich im Sessel nach vorn beugte und den Zug für ihn machte. Dann lehnte sie sich zurück und las vermutlich weiter in ihrem Buch. 

 Severus, der mitten im Wohnzimmer stehen geblieben war, setzt seinen Weg fort. Er hatte die Terrasse angepeilt. Es war so still im Haus und er konnte es keine Minute länger ertragen, der Stimme seines Vorlesezaubers zuzuhören. Apropos ... „Ich merke es übrigens, wenn du versuchst, mich zu täuschen", sagte er mit dunkler Stimme, die Hand schon an der Tür. „Deine Schrift auf dem Pergament magisch so sehr zu verkleinern, dass du den Text von drei Rollen auf zwei Rollen unterbringen kannst, ändert nichts daran, dass ich einen Teil deines Essays nicht bewerten werde." 

 Hermine seufzte. „Einen Versuch war es wert", murmelte sie. 

 Er schnaubte, dann ging er hinaus. Hier zwitscherten wenigstens die Vögel. 

- - -

 Er folgte Hermine langsam in ihr Zimmer, nachdem sie vom Frühstück geflüchtet war. Er hörte ihre Schritte auf der Treppe, dem Flur, dann bog sie nach links ab, ehe es still wurde. Er fand sie problemlos. Sie stand vor dem Fenster und er nahm sie von hinten in den Arm, so dass ihr Rücken gegen seine Brust lehnte. Sie hatte die Arme verschränkt und hielt sich zuerst an sich selbst, dann an ihm fest. Die Stille drückte schwer auf seine Ohren. 

 „Wirst du mir sagen, was dich beschäftigt?", fragte er leise und steckte seine Nase in ihre Locken, die er nur noch vage vor Augen hatte. Der Geruch und wie sie sich auf seinem Körper anfühlten, hatte sich sehr viel deutlicher in seine Erinnerungen gebrannt. 

 Hermine nickte. „Heute. Heute beschäftigt mich, Severus." 

 Er runzelte die Stirn und versuchte sich daran zu erinnern, welcher Tag heute war. Ohne einen festen Schlafrhythmus glitten Tage und Wochen ineinander und nur noch der Tag, an dem sie seine Augen versorgte, war ein fester Punkt im Lauf der Woche für ihn. So dauerte es einige Sekunden, ehe es ihm wieder einfiel. Heute vor einem Jahr waren sie hier angekommen. Heute vor einem Jahr hatte Hermine ihr Kind verloren. „Es tut mir leid, Mia." 

 Seine Hände glitten an ihrem Körper hinab. Hermine versteifte sich und drehte sich aus seiner Umarmung. „Sei mir nicht böse, Severus. Ich ... Lass mir etwas Zeit, ja?" 

 Er nickte und nahm ihr Gesicht in die Hände, nur um sie auf die Stirn zu küssen. „Ich bin da, wenn du Gesellschaft möchtest." 

 „Ich weiß."

- - -

 An diesem Abend saß Severus im Wohnzimmer auf der Couch und ließ sich die neue Potio vorlesen. Es juckte ihn in den Fingern, das eine oder andere neue Rezept auszuprobieren. Manche der verwendeten Zutatenkombinationen hatte er noch in keinem anderen Trank gesehen, er konnte sich kaum vorstellen, dass das tatsächlich funktionierte. Aber wenn es das nicht täte, stünde es nicht in der Potio. Er schnalzte leise mit der Zunge. 

Advocatus DiaboliWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu