Kapitel 3.01 - Ein guter Tag

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- Part III: -
Vom Verletzen und Heilen.

No one can unring this bell,
unsound this alarm, unbreak my heart new.
God knows, I am dissonance
waiting to be swiftly pulled into tune.

(Sleeping at Last - Mercury)

Kapitel 3.01 – Ein guter Tag 

 Es war ein langer Winter, der hinter Severus und Hermine lag. Zuerst hatte er sich nicht so richtig zeigen wollen – an Weihnachten hatten sie geschätzte zehn Grad über Null gehabt. Doch Ende Januar hatte es dann zu schneien begonnen und lange nicht wieder aufgehört. Der Schnee hatte sich auf die Dimensionsbarriere gelegt, war daran hinuntergerutscht und hatte sich an den Rändern aufgetürmt, bis die komplette Kuppel von Schnee bedeckt gewesen war und sie in Dunkelheit getauchte hatte. 

 Anfangs hatte Hermine noch die Barriere erwärmt, damit der Schnee schmolz und wieder mehr des spärlichen Lichts zu ihnen gelangte. Aber das kostete so viel Kraft, dass sie sich bald schon auf einen kleinen Fleck beschränkt hatte, damit sie zumindest den Wechsel zwischen Tag und Nacht mitbekamen. Und nach ein paar Tagen hatte sie selbst damit aufgehört und sie hatten fast eine Woche lang in Dunkelheit gelebt. 

 Seit Mitte März hatte sich dann langsam der Frühling durchgesetzt und die ersten Blumen streckten die Köpfe aus dem Boden, während die Spatzen den Jahreszeitenwechsel zwitschernd begrüßt hatten. Auch den Gnom hatte er in den letzten Tagen wieder vereinzelt gesehen, nachdem er den Winter über tief in sein Erdloch vergraben geschlafen hatte. 

 Severus genoss die nach wie vor kühle Luft, die sich auf sein Gesicht legte, während er mit verschränkten Armen an der Terrassentür lehnte und Hermine beobachtete. Die Sonnenstrahlen flossen golden über ihre Locken, warfen immer längere Schatten und tauchten den Garten in ein Farbenspiel aus orange und rot. Der karmesinrote Ball sank langsam dem Horizont entgegen, steckte den Himmel in Brand und zog den dunkelblauen Nachthimmel hinter sich her. 

 Ein Jahr. 

 Heute war es ein Jahr her, dass Hermine ihren Mann verloren hatte. Severus hatte diesen Tag gefürchtet, besonders nach der Zeit rund um Weihnachten herum. Hermine war in ein Loch gefallen, das er nicht hatte kommen sehen und er hatte ernsthaft daran gezweifelt, ob sie ihm jemals wieder würde entkommen können. Es hatte Tage gedauert, ehe er herausgefunden hatte, was die Ursache für diesen Absturz gewesen war. Ihr Kind. Um Weihnachten herum hätte es zur Welt kommen sollen. Nachdem sie ihm das gesagt hatte, hatte er sich zu ihr gesetzt. Neben sie in dieses Loch und hatte ihr Gesellschaft geleistet, so gut und schweigsam er es konnte. 

 Aber dieser Tag war seltsam unspektakulär an ihnen vorbei gezogen. Sie war still gewesen, ein bisschen abwesend. Aber mehr auch nicht. Solche Tage hatte sie in den letzten Monaten immer wieder gehabt, genauso wie er. Auch wenn ihre Erinnerungen sich ihnen nicht mehr aufdrängten und sie nicht mehr nachts aus dem Schlaf rissen, waren sie doch noch immer da. Es war immer noch schlimm, was sie durchgemacht hatten. Es zog sie immer noch manchmal hinab in einen Abgrund. 

 Und der heutige Abgrund schien doch etwas tiefer zu sein, als der Tag bisher hatte vermuten lassen. Nach dem Abendessen war Hermine aufgestanden und hinaus in den Garten gegangen. Severus hatte ihr hinterher gesehen, war ihr aber nicht gefolgt. Inzwischen stand sie allerdings seit drei Stunden bewegungslos auf dem Rasen und starrte die Barriere dieser kleinen Dimension an. 

 Zwischen seinen Augenbrauen stand eine tiefe Falte, während er sie ansah. Sie waren die ganzen letzten Monate sehr vorsichtig miteinander umgegangen, hatten Distanz gehalten und Kraft geschöpft auf der Basis, die die neue Lehrling-Meister-Situation ihnen bot. Keiner von ihnen war auch nur einen Schritt aus der Reihe getanzt, sie hatten Adia und was in dieser Zeit passiert war, nicht mit einem Wort erwähnt. Vermutlich gab es auch nichts mehr, das Hermine erwähnen könnte. Adias Gefühle hatten sich längst verloren, Adias Anteil an Hermines Persönlichkeit war längst von ihrer eigenen überlagert worden. 

Advocatus DiaboliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt