Kapitel 3.10 - Die Wahrheit

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Kapitel 3.10 – Die Wahrheit 

 Severus hatte sich leise einen Stuhl vom Tisch genommen und sich etwa zwei Schritte vom Bett entfernt hingesetzt. Er hatte ein Bein über das andere geschlagen, die Hände auf die Oberschenkel gelegt und wartete. Die Sonne ging auf, es wurde immer heller im Zimmer – Hermine würde bald aufwachen. 

 Sein Blick lag auf ihrem Bauch. Die dünne Bettdecke, kaum mehr als ein Laken, lag nur halb über ihrer Brust, ihr Hemd war nach oben gerutscht, ein Streifen helle Haut lag über dem Bündchen ihres Slips frei. Über dem Bündchen, das sich eng über eine kleine Wölbung legte.

 Severus kannte Hermines Figur. Sie war ein schlanker Mensch, ihr Bauch normalerweise flach, er hatte ihn oft genug geküsst und berührt. Dass er jetzt nicht mehr flach war, lag garantiert nicht an zu viel Essen. Sie hatte eher schlecht gegessen in den letzten Wochen und jetzt wusste Severus auch warum. 

 Sein Herz schlug heftig in seiner Brust, während er darauf wartete, dass Hermine aufwachte. Natürlich, er hätte sie wecken können. Aber das ... Er wollte, dass sie selbst begriff, dass er es wusste. Er wollte sehen, wie diese Erkenntnis in ihren Geist sickerte. Er wollte den Moment beobachten, in dem sie es verstand. 

 Sie wachte langsam auf. Ihr Atem veränderte sich. Ihre Finger zuckten. Dann holte sie tief Luft und blinzelte. War offensichtlich irritiert von der Helligkeit im Zimmer. Sie drehte den Kopf auf dem Kissen – und entdeckte ihn. „Severus", murmelte sie. 

 Dann erst fiel ihr die Brille auf. 

 Ihre Augen wurden größer. Ihr stockte der Atem. Sie schluckte. Dann hob sie den Kopf und sah an sich selbst hinunter. Sah ihren Bauch. Und zog das Laken darüber. 

 Severus zog eine Augenbraue hoch. 

 „I-Ich kann dir das erklären", sagte sie und setzte sich auf. Ihre Haare waren ein Nest auf ihrem Hinterkopf. Sie strich sich ein paar einzelne aus dem Gesicht. 

 „Ich bitte darum", entgegnete Severus kühl. 

 Sie begegnete seinem Blick. Schluckte wieder. Tränen stiegen ihr in die Augen. „Es ... es tut mir so leid, Severus", hauchte sie. 

 „Ist das deine Erklärung?" 

 Sie schüttelte den Kopf. Wischte sich die ersten Tränen vom Gesicht. „Nein. Ich ... Es ..." Sie brach ab. Sie brach einfach ab. 

 Severus stellte seine Füße nebeneinander auf den Boden und beugte sich nach vorn. „Was, Hermine? Was hast du dir dabei gedacht?", fragte er scharf. „Dachtest du, ich bleibe lange genug blind, um es mir niemals sagen zu müssen? Dachtest du, wir kämen hier bald raus und dann könntest du dich von mir trennen und müsstest mir niemals sagen, dass du ein verdammtes Kind von mir bekommst? Was, Hermine? Was hast du dir dabei gedacht?" Seine Stimme war lauter geworden und als er das letzte Wort aussprach, zuckte sie zusammen. 

 Ihre Brust bebte vor unterdrücktem Schluchzen, als sie den Blick hob. Ihre Augen, ihre wunderschönen braunen Augen schwammen in Tränen. Er konnte sie nicht komplett klar erkennen, ein bisschen verschwommen war alles an ihr auch jetzt noch. Aber er konnte genug erkennen. Er konnte erkennen, dass ihr Kopf leer war. Dass ihre Gedanken gegen eine Wand gefahren waren und dass sie nicht die geringste Idee hatte, was sie sagen sollte. Er hatte diesen Blick bei zu vielen Schülern gesehen, um ihn nicht zu erkennen. 

 Severus rümpfte die Nase, stieß scharf die Luft aus und stand auf. Er ging. Nachdem er eine halbe Stunde lang still und beherrscht neben dem Bett gesessen und darauf gewartet hatte, dass sie aufwachte, konnte er es jetzt keine Sekunde länger mehr aushalten. 

Advocatus DiaboliWo Geschichten leben. Entdecke jetzt