Kapitel 1.12 - Hinter den Kulissen

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Kapitel 1.12 – Hinter den Kulissen 

 Die ersten Momente in Hermines Verstand fühlten sich an, als würde er ertrinken. Erinnerungen rasten an ihm vorbei, so schnell, dass er nur Bruchstücke davon sehen, nur Wortfetzen davon hören konnte. 

 Er sah Albus. Er beherrschte die Elemente, saugte Magie aus allem, um Potter zu unterstützen und den Dunklen Lord zu töten. 

 Er sah beide – Potter und den Dunklen Lord – zu Boden gehen und wusste, dass sie tot waren, noch bevor der Schlamm in die Luft spritzte. 

 Er sah Remus Lupin nach Hermine greifen und sie davon abhalten, sich in das Energiefeld zu stürzen, das sich um die beiden Toten gebildet hatte. 

 Er sah Madam Pomfreys glückliches Gesicht, als sie erfuhr, dass Hermine eine Ausbildung zur Heilerin machen würde. 

 Er sah Ronald Weasley, wie er vor Hermine in die Knie ging. 

 Hier endlich schaffte Severus es, die Oberfläche aus Erinnerungen zu überwinden und tiefer in Hermine Geist einzudringen. Die Erinnerungsfäden strebten von ihm fort. Weiß und faserig, wie sie waren, zogen sie einen großen Bogen um ihn. Aber das waren auch nicht die Erinnerungen, die er sehen musste. Er suchte die knotigen, roten Erinnerungen. Die Erinnerungen, die gesehen werden wollten. 

 Es war eine ganz eigene Form von Gewalt, die er ihr damit antat. Er hatte schon oft den Geist anderer mit Legilimentik ausgehorcht, doch niemals hatte er sich dabei so schäbig gefühlt wie bei ihr. Hermine Grang... Weasley hatte genug durchgemacht. Es gab nichts, das sein Tun entschuldigen konnte. Severus versuchte es auch gar nicht. Das hier war schlimmer, als ihr Tagebuch zu lesen. Sie würde ihn dafür hassen und sie hatte jedes Recht dazu. 

 Trotzdem machte er weiter. 

 Er konzentrierte sich darauf, den Anfang zu finden. Den Moment, von dem an alles schief gelaufen war. Jeder, der so viel Alkohol trank wie Hermine in den letzten Wochen, hatte so einen Moment erlebt. Ein paar Erinnerungen drifteten an ihm vorbei, so geordnet, als wollte Hermine sie ihm zeigen. 

 Er sah sie in Zeitschriften für Brautmoden blättern und mit Ginevra Weasley diskutieren. 

 Er sah sie an Harry Potters Grab, alleine. Sie legte Blumen nieder und bat um die Erlaubnis, an seinem Geburtstag zu heiraten. 

 Er sah sie zusammen mit ihrem Zukünftigen im Ministerium, um einen Termin für die Eheschließung auszumachen. Hermine kringelte mit einem wehmütigen Lächeln den 31. Juli in ihrem Terminplaner ein und Weasley griff nach ihrer freien Hand. 

 Severus stutzte. Der 31. Juli ... das war morgen. Oder heute? War es schon nach Mitternacht? Egal. Aber das war zumindest mal ein Anhaltspunkt. Harry Potters Geburtstag, Hermines Hochzeitstag. Der erste, den sie allein verbringen musste. Seinetwegen. Möglicherweise hätte er an ihrer Stelle an so einem Tag auch getrunken. Aber nicht so viel. 

 Er sah sich weiter um. 

 Molly Weasley mit wässrigen Augen, als sie Hermine eine klassische Perlenkette gab. Ein Erbstück der Familie – Informationen, die Severus nicht gebrauchen konnte. 

 Zwischendurch sah er immer wieder Momente im Kampf, in Hogwarts, auf der Krankenstation, bei Ordenstreffen, bei kleinen Feiern und das Glück zweier Menschen während dieser turbulenten Zeiten. Vor allem bei letzterem zog er sich immer wieder raus; es gab Dinge, die er nicht sehen wollte, und Weasley in diesen speziellen Momenten stand ziemlich weit oben auf seiner Liste. 

 Schließlich sah er Hermine im Brautkleid und bei dieser Erinnerung verweilte er. Die Räume des Zaubereiministeriums waren ihm bekannt, doch den Saal für Eheschließungen hatte er erst einmal betreten. Seit der Hochzeit von Lucius und Narcissa hatte sich dort kaum etwas verändert. 

Advocatus DiaboliWhere stories live. Discover now