Kapitel 2.04 - Eskalation

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Kapitel 2.04 – Eskalation 

 In den Tagen danach ließ Adia Hermine in Ruhe. Jedenfalls soweit Severus das mitbekam. Er nutzte die Zeit, um mit der Zubereitung des Umkehrtrankes zu beginnen. Die Herstellung des Vielsafttrank-Gegenmittels dauerte zwar keinen ganzen Monat, aber doch fast eine Woche – weswegen es so gut wie nie zum Einsatz kam. Die eine Stunde abzuwarten, bis der Vielsafttrank seine Wirkung verlor, war in jeder Hinsicht einfacher. Aber er war offensichtlich nicht der einzige Tränkemeister, der ungern Lücken in seiner Forschung hinterließ; es gab ein Gegenmittel und jetzt kam es ihm zu Gute. 

 Wenn er sich nicht im Labor aufhielt, beobachtete er Hermine mit Sorge. Sie kämpfte nicht gegen Adia und wann immer er einen Blick in ihre Augen warf, waren sie haselnussbraun – aber meistens auch von Tränen verschleiert. Das war es, wogegen sie jetzt kämpfte: die Trauer um ihre Familie. 

 Sie weigerte sich, die Gefühle zuzulassen. Wann immer Severus sie außerhalb einer Unterrichtsstunde sah, war sie in irgendeiner Form beschäftigt. Sie las Bücher, sie schrieb Aufsätze, um die er sie nicht gebeten hatte, sie half ihm bei der Trankzubereitung, obwohl er ihre Hilfe nicht brauchte, sie kochte, putzte oder spielte gegen sich selber Schach – worin sie wirklich schlecht war. 

 Mehr als einmal dachte Severus darüber nach, sie darauf anzusprechen. Es gab zwei Gründe, die ihn abhielten: Erstens die Angst davor, wieder eine Nacht mit ihr auf dem Schoß verbringen zu müssen. Zweitens die mangelnden Alternativen. Was hätte sie denn anderes tun sollen? Wenn sie sich jetzt auf diese Trauer einließ, hätte Adia ein leichtes Spiel mit ihr und würde ihre Chance nutzen, um Hermine zu einer Gefangenen in ihrem eigenen Geist zu machen. So sehr Hermines Weg ihn auch beunruhigte, sie hatte im Moment keine andere Wahl. 

 Eines Abends ging Severus hinaus in den Garten. Hermine hatte sich bereits in ihr Zimmer zurückgezogen und da ihr Fenster zum Garten zeigte, deutete er mit dem Zauberstab darauf und belegt es mit einem Abschirmzauber. Er hatte sie immer noch nicht gefragt, ob sie von Albus' Verbindung hierher wusste und er wollte nicht, dass sie sein Gespräch belauschte. 

 „Albus!", sagte Severus also laut, als er so dicht wie möglich an die Dimensionsbarriere herangetreten war. Die Sonne ging bereits unter, von der anderen Seite des Hauses zog dunkelblau die Nacht herauf. 

 „Ich höre dich", erklang nach einer kurzen Weile Albus' Stimme. 

 „Einhorntränen, Albus!" Severus verschränkte die Arme vor der Brust. 

 „Einhorntränen?", wiederholte die leise Stimme deutlich irritiert. „Brauchst du welche?" 

 „Nein! Mrs Weasley hat Einhorntränen für den Vicissitudo Virtus benutzt!" 

 Albus schwieg. 

 „Ich muss die Zutaten ausgleichen, Albus. Wenn ich auch nur die leiseste Chance haben will, Adia aus Mrs Weasleys Geist zu ... entfernen, muss ich die Zutaten ausgleichen. Kannst du mir sagen, wie ich verdammte Einhorntränen ausgleichen soll?" 

 „Steht dazu nichts in dem Buch, das ich dir geschickt habe?" 

 Severus rieb sich die Stirn. „Würde ich dann hier stehen?", fragte er ungeduldig. Die Theorie der fortgeschrittenen Zutatenlehre listete die allermeisten Trankzutaten auf und bewertete ihre magische Wirksamkeit auf einer Skala. Er hatte seine Überlegungen zu den anderen Zutaten, die Hermine dem Trank beigefügt hatte, darin überprüft und sie würden funktionieren. Aber die Einhorntränen standen so hoch auf der Skala wie keine andere Zutat. Selbst Einhornblut stand ein Stück darunter, weil es nicht ohne Gewalt gewonnen werden konnte. Laut diesem Buch gab es nichts, das es mit Einhorntränen aufnehmen konnte, geschweige denn etwas, das sie ausgleichen konnte. 

Advocatus DiaboliWhere stories live. Discover now