Kapitel 9

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Kapitel 9

Als Severus zum zweiten Mal aus der Erinnerung erwachte, stöhnte er mit tiefer kehliger Stimme. Er riss die Augen auf und zog am Ausschnitt seines Hemdes. Bevor Hermine etwas sagen konnte, stand er schon auf den Füßen und lief durch das Zimmer wie ein gefangenes Tier. Er tat es, wie sie es getan hatte: mit in die Seiten gestemmten Händen, gehetzt und als gäbe es nichts um ihn herum, nur die Bilder in seinem Kopf. Der Boden knarrte an einigen Stellen, aber er schien es nicht zu hören. Er atmete heftig, kniff immer wieder die Augen zusammen.

Hermine hielt es dann auch nicht mehr in ihrem Sessel und als sie ihn trocken würgen sah, zwang sie ihn stehen zu bleiben, indem sie ihm den Weg versperrte. Sie reichte ihm sein Wasserglas. „Trink etwas! In kleinen Schlucken."

Erst in diesem Moment schien er sich daran zu erinnern, dass sie auch hier war. Einen Augenblick lang starrte er sie an, als hätte sie sich gegen seinen Willen in diesen Moment gedrängt. Als hätte sie kein Recht, hier zu sein. Jetzt. Und ihn so zu sehen.

Sie wich instinktiv einen Schritt zurück und das rief ihm die Umstände ihrer Anwesenheit wohl wieder in Erinnerung. Ein Schaudern lief durch seinen Körper. „Tut mir leid", nuschelte er, ehe er ihr das Glas aus der Hand nahm.

„Schon gut."

Da er dieses Mal offenbar weniger motorisch betroffen war und sicher auf seinen Beinen stand, ließ Hermine ihm Raum und trat ein paar Schritte zurück. Severus lief noch einige Runden durch das Wohnzimmer, bevor er das Glas zurück auf den Tisch stellte und sich mit den Händen auf der Rückenlehne seines Sessels abstützte. Er schloss die Augen.

„Wie geht es dir?", fragte Hermine nach einer Weile.

Er grollte leise, runzelte die Stirn. Aber er sah sie nicht an.

„Soll ich ... soll ich gehen? Möchtest du alleine sein?" Das Gefühl, nicht erwünscht zu sein, hielt sich hartnäckig.

„Nein."

Hermine stand da, die Arme vor der Brust verschränkt. Severus Snape war eine Wand ohne Fenster und sie kannte sein Passwort nicht. Und nicht nur das. Sein Anblick ließ sie schrumpfen bis sie sich wieder fühlte wie seine Schülerin. Die drei goldenen Regeln für den Zaubertrankunterricht schossen ihr durch den Kopf: Fall nicht auf, stell keine Fragen, schau ihn nicht an.

Aber sie tat es doch. Ihn anschauen. Und sie begegnete sogar seinem Blick. Um seine Augen zuckte es. Hermine reckte ihr Kinn ein Stück vor, schluckte.

Er sah weg, senkte den Kopf zwischen seine Schultern und sprach mit dem Fußboden, als er sagte: „Ich hatte mir 'weniger heftig' anders vorgestellt."

„Wie hattest du es dir vorgestellt?"

Nun trat er einen Schritt auf den Sessel zu, stützte die Unterarme auf die Lehne. „Ich habe gedacht, es würde ... mich weniger mitnehmen. Ich dachte, ich könnte es mit mehr Abstand sehen."

Sie hob die Augenbrauen. „Ich glaube, da erwartest du zu viel. Diese Erinnerungen werden dich immer mitnehmen, du wirst sie nie auf dieselbe Art sehen wie eine x-beliebige Unterrichtsstunde oder jede andere belanglose Erinnerung."

„Und wozu tue ich das hier?", grollte er.

„Damit sie dich nicht mehr ungewollt mit sich reißen. Damit du wieder in eine Position kommst, in der du es kontrollieren kannst."

Er schnaubte, griff sich an die Nasenwurzel. „Nichts hieran ist kontrolliert. Und nichts hieran ist weniger heftig. Ich will es abhaken und ... wieder ich selbst sein."

Medicus IIIWhere stories live. Discover now