Kapitel 27

236 24 0
                                    


Kapitel 27

Sie rannte. Strauchelte. Stolperte. Äste krachten unter ihren Füßen. Viel zu laut! Er würde sie hören! Ihr Herz wummerte wie Trommelschläge, es war ohrenbetäubend.

Sie warf einen schnellen Blick über ihre Schulter und sah nur Dunkelheit. Aber Voldemort war irgendwo da, folgte ihnen. Unsichtbar. Lautlos. Sie musste weiter! Weiter! Ihre Lungen brannten, jeder Schritt war eine Qual. Adrenalin trieb sie vorwärts.

„Beeil dich, Hermine!", hörte sie Rons Stimme vor sich. Er streckte seine Hand nach ihr aus und sie versuchte, sie zu ergreifen, aber sie rutschte einfach daran ab.

„Lauf!", wollte sie ihm zurufen; er könnte viel schneller sein ohne sie. Aber bevor sie das Wort herausbrachte, traf sie ein Schlag in den Rücken. Hermine schrie und fiel der Länge nach auf den Waldboden. Sie schnappte nach Luft, versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Weg! Sie musste hier weg! Sie konzentrierte sich auf die Heulende Hütte, versuchte zu disapparieren, aber sie waren zu dicht am Schloss, kein Apparieren mehr. Die Fenster leuchteten in der Dunkelheit wie Glühwürmchen. Unerreichbar.

Ron war stehen geblieben. „Hermine!", rief er und lief zu ihr zurück.

Bevor er sie erreichen konnte, spürte sie einen schraubstockartigen Griff an ihrem Arm. „Nein!" Sie wehrte sich, versuchte sich zu befreien und wurde trotzdem unbarmherzig in die Höhe gezogen. Das nächste, was sie sah, war das schlangengleiche Gesicht Voldemorts.

„Sieh an, sieh an", sagte er und ein hämisches Grinsen verzog seinen lippenlosen Mund, während er ihr den Zauberstab aus der Hand riss und ihn in die Dunkelheit warf. „Wo die Schäflein sind, ist der Hirte nicht weit."

Aus dem Augenwinkel sah Hermine, wie Ron seinen Zauberstab hob, aber bevor er den Fluch aussprechen konnte, der ihm auf der Zunge lag, deutete Voldemort mit seinem eigenen Zauberstab auf ihn und sagte: „Imperio!"

„Nein!", kreischte Hermine. Wehrte sich wieder gegen Voldemorts Griff, aber er war zu stark. Mühelos hielt er sie fest, dann stieß er sie Ron geradewegs in die Arme.

„Fessel sie an den Baum!", befahl er ihm und Ron gehorchte.

„Ron, bitte! Du musst dagegen ankämpfen!", flehte Hermine, aber er schien sie gar nicht zu hören.

Grob zog er sie hinter sich her. Sie stolperte und fiel, kam kaum wieder auf die Beine. Er schleuderte sie so heftig gegen den Stamm einer alten Fichte, dass es in ihrem Rücken knackte und die Luft aus ihren Lungen gepresst wurde. Sie holte rasselnd Luft, hustete. „Bitte, Ron! Du musst dich erinnern, du musst kämpfen!"

Aber wenn er das tat, dann ohne Erfolg. Seine blauen Augen waren glasig, leer. Er war nicht mehr da, er hatte keine Kontrolle mehr. Mit dem Zauberstab zwang er ihre Arme nach hinten und fesselte ihre Hände aneinander.

Wie konnte das nur passieren? Wie war sie hierher gekommen? In diesen Moment, in dem Ron an ihr vorbeisah und auf Voldemorts Befehle wartete. An einen Ort, an dem sie Ron ausgeliefert war. Ron!

Nein! Das war unmöglich! Das konnte nicht passieren! Hermine zerrte an ihren gefesselten Händen und schrie, bis keine Luft mehr in ihren Lungen war. Sie keuchte.

Ihr Blick flog zwischen Ron und Voldemort hin und her. Voldemort grinste, schien sich köstlich über sie zu amüsieren. Sie sah weg. Ließ sich weinend in die Fesseln sinken. Biss sich auf die Unterlippe. Das war es, oder? Es war vorbei. Harry war ... irgendwo. Sie hatten sich vor einer Weile verloren. Und Ron ... Sie sah ihn an, wie er bewegungslos vor ihr stand, und schluchzte leise. Auf einmal fühlte sie sich schwer, als wäre ihr Blei in die Glieder gesunken. Das war's.

Medicus IIIWhere stories live. Discover now