Kapitel 45

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Kapitel 45

Der Tag im St.-Mungos war anstrengend. Nicht wegen der Patienten und auch nicht von Anfang an; ihre Kollegen aus der Nachtschicht hatten den Tagespropheten noch nicht in die Finger bekommen, sie kannten den Artikel nicht. Aber Leslie, mit dem sie heute eingeteilt war, hatte ihn sehr wohl gelesen. Genauso wie Penny und Pauline. Und sie alle bestürmten Hermine.

Sie hatte gar nicht erst versucht, irgendetwas zu leugnen, immerhin stand ihr Name im Artikel. Aber sie erzählte noch nichts genaueres von den Plänen, die Patrick und sie schmiedeten, denn offensichtlich hatte das Ministerium seine Ohren auch im St.-Mungos.

Und wären es nur die Kollegen auf ihrer Station gewesen, deren Neugier sie befriedigen musste, wäre der Tag vermutlich gar nicht so schlimm geworden. Aber im Laufe des Tages kamen auch Kollegen von anderen Stationen ganz zufällig bei ihnen vorbei, weil sie Hermines Rat oder Material brauchten, das ihnen ganz überraschend ausgegangen war.

„Hast du eine Ahnung, wie viele Heiler heute schon durch diese Stationstüren gelaufen sind?", fragte Hermine gegen Mittag vorwurfsvoll, nachdem sie Miriam hinter sich in ein leeres Behandlungszimmer gezogen hatte; ihr erzählte sie als einziger auch von ihren weiteren Plänen. „Es waren acht. Acht, Miriam! Wenn das so weitergeht, hänge ich bald eine Liste mit den am häufigsten gestellten Fragen und Antworten an die Tür, damit ich hier endlich in Ruhe arbeiten kann!"

„Tu nicht so empört", antwortete Miriam jedoch im gleichen Ton. „Das ganze Hospital weiß, dass du jemanden mit Muggelmethoden behandelt und dafür vom Ministerium einen Klaps auf die Finger bekommen hast. Natürlich wollen alle wissen, was du geplant hast. Warum sonst sollte der Tagesprophet plötzlich auf dieses Thema aufmerksam werden?"

„Müssen sie denn gleich so aufdringlich werden?"

„Natürlich! Das ist das Spannendste, über das der Tagesprophet in den letzten zehn Jahren berichtet hat! Du hast damit den Bericht über den Riesenkürbis von Mrs Buttonwood vorletztes Jahr vom Thron gestoßen."

Hermine seufzte schwer und fuhr sich über das Gesicht. „Wenn ich das geahnt hätte ..."

„... hättest du es trotzdem getan", beendete Miriam den Satz für sie. „Trag es mit Fassung, Hermine, ihr könnt die Aufmerksamkeit gut gebrauchen!" Sie tätschelte ihr den Arm und das war eine so fürsorgliche Geste, dass Hermine sie am liebsten umarmt hätte. Dann beendete Miriam den Moment, indem sie sagte: „Du hättest mir aber gern vorher davon erzählen können!" Und mit einem vorwurfsvollen Blick das Zimmer verließ.

Als Patrick sie am Nachmittag ablöste, stand auf seinem Gesicht ein gewaltiges Grinsen und in seinen Augen so große Begeisterung, dass Hermine ihn am liebsten wortlos stehen gelassen hätte. „Bitte du nicht auch noch", sagte sie gequält.

Er zog zischend die Luft ein. „Okay", presste er hervor, schluckte hart. Er stellte seine Tasche auf den Tisch und zog ein Pergament hervor. „Hier sind meine Stichpunkte von den Leuten, die ich noch besucht habe und die bereit wären, uns zu helfen. Schick die Namen aller, die in Frage kommen, am besten direkt an Maggie."

Hermine nahm ihm das Pergament aus der Hand und zog ein paar Knicke glatt. Es waren fünf Namen, fünf Geschichten – fünf Menschen, denen nicht oder nicht ausreichend geholfen werden konnte. Die Worte verschwammen vor ihren Augen. „Ich schau es mir zu Hause an", versprach sie ihm.

„Perfekt!" Noch während er sich seinen limonengrünen Umhang überwarf, wuselte er aus dem Zimmer. Bevor die Tür aber hinter ihm ins Schloss fiel, streckte er nochmal den Kopf herein. „Es geht endlich los, Hermine!" Er klang wie ein Kind am Weihnachtsmorgen und verschwand, bevor sie ihm seine gute Laune zerstören konnte.

Medicus IIIWhere stories live. Discover now