Kapitel 44

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Kapitel 44

Hermine ging die Treppe zum Wohnzimmer hinunter, gähnend, mit zerzausten Haaren und einem viel zu großen T-Shirt über ihrer Schlafshorts. Sie hatte unruhig geschlafen; Severus war heute mit Guinevere verabredet gewesen und so hatte sie nur eine kleine Dosis Trunk des Friedens als Beistand gehabt.

Er saß vor dem Kamin, in dem diesmal jedoch kein Feuer brannte. Obwohl es draußen noch hell war, erreichte das Sonnenlicht nicht die Kaminecke. Ein kleiner leuchtender Ball, der über ihm in der Luft schwebte, beleuchtete die Seiten des Buches, das auf seinem Schoß lag. Aber er las nicht darin. Sein Blick war starr auf den Boden vor sich gerichtet. Er atmete ganz ruhig. Sie stand lange da und beobachtete ihn, bald fast so gedankenverloren wie er.

Dann wandte sie sich um und stieg leise die Stufen hinauf, nur um sie lauter wieder hinunter zu laufen. Als sie dieses Mal um die Ecke bog, sah er ihr entgegen. Sein Blick zuckte kurz zu ihren Haaren und ein Lächeln huschte über seine Lippen, so flüchtig, sie hätte es beinahe verpasst. „Was liest du?", fragte sie, während sie sich zu ihm setzte.

Severus steckte den Finger zwischen die Seiten und hielt das Buchcover so, dass sie es sehen konnte. Es war ein italienisches Buch. Hermine sah ihn unzufrieden an, er hingegen schien seinen Spaß zu haben. „Es ist ein Fachbuch über psychoaktive Trankzutaten", ließ er sich dann doch noch dazu herab, ihr zu antworten.

„Für Tränke wie den für Billie?"

Severus nickte.

„Er war heute morgen zur Kontrolle da." Sie gähnte verstohlen. „Die Dosisanpassung hat geholfen, er stellt jetzt auf deinen Trank um. Gut dass er den Muggelwirkstoff nicht erst entgiften muss, sonst hätte ich ein Problem gehabt." Sie dachte an die Prozedur, die Severus damals ihrer Mutter verordnet hatte. Das hätte definitiv Fragen aufgeworfen, die sie nur ungern beantwortet hätte.

„Hast du ihm gesagt, dass er sich für Nachschub rechtzeitig melden muss?"

„Ja, Severus, ich hab daran gedacht." Er hatte es ihr schließlich gefühlte dreißig Mal gesagt. „Billie hat mir erzählt, dass er noch andere Betroffene kennengelernt hat, während er das Euphorie-Elixier genommen hat."

„Das dachte ich mir."

Hermine sah auf ihre Hände hinab. „Ich hab ihm gesagt, er soll sie zu mir schicken, wenn er sie nochmal trifft."

„Auch das dachte ich mir."

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich will ihnen helfen – oder es wenigstens versuchen."

„Glaubst du, dieser Trank hilft jedem von ihnen?"

„Vermutlich nicht. Psychiatrische Medikamente sind ein bisschen kniffelig, manchmal muss man ein paar verschiedene Wirkstoffe ausprobieren. Ich muss mich da noch genauer einarbeiten." Sie biss sich auf die Unterlippe. „Mir macht es bloß Sorgen, dass Medikamente – seien es nun die Muggelwirkstoffe oder deine magischen Varianten davon – nicht für jeden die Lösung sind. Manchen würde eine Gesprächstherapie besser helfen als ein Trank und das kann ich ihnen nicht bieten ..."

„Du bietest es mir", wandte Severus ein.

„Das kann man nicht vergleichen. Meine Aufgaben bei dir bestehen hauptsächlich darin, die Erinnerungen aus dem Käfig zu lassen, dir bei körperlichen Beschwerden zu helfen und dir zuzuhören. Für den Rest findest du deinen Weg lieber allein. Wie du selbst gesagt hast, du bist ein erwachsener, selbstständig denkender Mensch. Das gilt nicht für jeden." Sie stützte den Kopf in die Hand. „Ich bin keine Therapeutin. Und ich habe auch nicht vor, eine zu werden!" Sie fühlte sich genötigt, das klarzustellen, weil es um Severus' Mundwinkel schon wieder zuckte. „Wir müssen die Gesetzesänderung unbedingt durchkriegen, um diese Lücke zu füllen."

Medicus IIIWhere stories live. Discover now