Kapitel 17

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Kapitel 17

Am nächsten Tag stand Hermine ein paar Minuten lang vor den großen Flügeltüren, die ins St.-Mungo-Hospital führten, und fühlte sich ... merkwürdig. Sie hatte geduscht und sie hatte gefrühstückt, aber irgendetwas war ... anders. Sie fühlte sich fremd in dieser vertrauten Umgebung. Falsch. Sie fühlte sich, als sollte sie gerade ganz woanders sein.

Aber Severus hatte ihr geschrieben, dass er mehr Zeit brauchte und diese Woche noch nicht weitermachen wollte mit seinen Erinnerungen. Er hatte auch geschrieben, dass er ihre Hilfe bei den Tränken gerade nicht brauchte. Jedes Wort in seiner Nachricht hatte höflich geklungen, keines wie ein Vorwurf. Trotzdem fühlte es sich so an.

Sie hatte sich falsch verhalten. Das war eine dieser Situationen gewesen, wegen derer sie seine Bitte ursprünglich hatte ablehnen wollen. Schon wieder. Sie war nicht hilfreich gewesen, vermutlich hatte sie eher alles noch schlimmer gemacht. Sie hatte als Heilerin mit ihm gesprochen, obwohl er ... jemand anderen gebraucht hätte. Jedenfalls niemanden, der ihm vorhielt, wie ungesund sein Essverhalten war. Sie hätte ...

Hier befahl sie sich aufzuhören. Sie hatte in diesem Gedankenkarussell schon mehr Zeit verbracht, als sie vor sich selbst verantworten konnte. Ein Teil von ihr war dankbar dafür, dass sie sich jetzt wieder mit Arbeit ablenken konnte – auch wenn es sich falsch anfühlte.

Und für Ablenkung hatte die Arbeit schon vor diesem Morgen gesorgt. Entgegen ihrer Abmachung mit Mrs Bucklemore war Hermine für die Janus Thickey-Station eingeteilt worden. Als sie ihren Arbeitsplan gesehen hatte, der am Montag mit einer Eule gekommen war, hatte sie sich mit ihr in Verbindung gesetzt und sie gefragt, was dahinter steckte.

„Befehl von oben", hatte sie gesagt, „Ich kann nichts daran ändern. Aber es ist nur vorübergehend."

Hermine schwante Böses. Es gab nicht viele Gründe, die die Klinikleitung dazu veranlassen könnte, sie für die Janus Thickey-Station einzuplanen, und als sie nun die Station betrat und das Gesicht von Heilerin Strout sah, wusste sie, dass sie recht gehabt hatte.

„Ich hab ihnen gesagt, dass das Blödsinn ist, aber sie haben mir nicht zugehört", sagte die ältere Hexe ohne eine Begrüßung und warf die Hände in die Luft.

„Ich soll mir alle Langzeitpatienten anschauen und gucken, ob ihnen nicht doch zu helfen ist, oder?", fragte Hermine resigniert.

Heilerin Strout nickte. „Die Klinikleitung wittert das große Geld, es tut mir leid, Hermine."

Das St.-Mungo-Hospital arbeitete auf Erfolgsbasis, was bei 99% der Patienten funktionierte, weil sie problemlos geheilt werden konnten. Die Langzeitpatienten hingegen waren der Klinikleitung ein Dorn im Auge. Wenn es ihr gelingen sollte, auch nur einen der Langzeitpatienten zu heilen, würde das eine Menge Geld in die chronisch leere Krankenhauskasse spülen. Dass der unter diesem Aspekt eher unglückliche Patient das Geld erst mal haben musste, wurde dabei wohl geflissentlich übersehen.

Hermine rieb sich die Stirn. „Die wissen aber schon, dass ich bereits mehrere Monate lang hier gearbeitet habe und bei keinem der Patienten den Eindruck hatte, dass ihm noch zu helfen ist?"

„Ich weiß nicht, ob sie das wissen, aber ich hab versucht, es ihnen klar zu machen. Es hört nur niemand zu. Mach was dagegen ..." Sie wandte sich um und betrat vor Hermine das Dienstzimmer. „Vielleicht kannst du deine Zeit hier ja nutzen, um uns ein paar Tricks von den Muggeln beizubringen. Dann ist das hier wenigstens für etwas gut."

„Davon war die Klinikleitung letztes Mal auch nicht so richtig begeistert", erinnerte Hermine sie.

Heilerin Strout drehte sich mit einem verschmitzten Lächeln zu ihr um. „Das müssen sie ja nicht wissen. Ich hab ein paar Kollegen angesprochen, von denen ich mit absoluter Sicherheit weiß, dass sie schweigen können und aufpassen werden, dass niemand mitbekommt, was sie tun. Wir würden uns sehr freuen, wenn du uns ein bisschen was beibringen könntest."

Medicus IIIWhere stories live. Discover now