Kapitel 34

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Kapitel 34

Severus setzte sich auf, als er aus der Erinnerung erwachte, stützte den Ellbogen auf die Lehne des Sessels und fasste sich mit Daumen und Zeigefinger an die Nasenwurzel, während er lang gezogen ausatmete. Er presste die Lippen aufeinander, schwieg, hielt die Augen geschlossen.

Erst nach ein paar Minuten sah er sie an. „Willst du heute gar nichts sagen?"

Hermine schüttelte den Kopf. „Du siehst aus, als bräuchtest du gerade Ruhe."

„Ja ...", murmelte er, runzelte die Stirn. Sein Blick glitt ins Feuer.

Sie seufzte leise, ließ ihn weiter schweigen. So lange, dass ihre eigenen Gedanken abdrifteten. Sie starrte ins Leere, strich mit den Fingern über den Handrücken der anderen Hand, immer wieder, es war beinahe hypnotisch. Als sie blinzelte, begegnete sie Severus' Blick. „Entschuldige", sagte sie leise.

„Dafür gibt es keinen Grund."

Hermine räusperte sich. „Möchtest du reden?"

Er schnaubte, so etwas wie ein bitteres Lächeln verzog seine Lippen. „Wenn ich eines ganz bestimmt niemals möchte, dann ist es reden."

„Aber?"

„Aber es hilft und ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich das hasse." Er verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich zurück.

„Ich bin ganz froh darüber, denn außer einem offenen Ohr und ein paar Tränken hab ich dir nicht viel Hilfreiches zu bieten." Sie lächelte flüchtig.

Severus sah sie scharf an, sie zuckte innerlich richtig zusammen unter diesem Blick. „Was du mir bieten kannst, geht weit über das Zuhören und die Tränke hinaus."

Hermine schluckte, lächelte zaghaft. „Okay." Ein warmes Gefühl rollte durch ihren Bauch. „Kannst du denn jetzt zulassen, dass das Reden hilft?"

Severus rümpfte die Nase. „Muss ich wohl."

„Nein, musst du nicht", wandte sie ein.

„Haarspalterei", grollte er.

„Ja, mag sein. Aber ich finde, es ist Zeit, dass endlich mal jemand Haare für dich spaltet." Sie begegnete seinem verdrießlichen Blick mit einem Schulterzucken.

Schließlich sagte er: „Ich dachte, ich hätte das alles längst abgehakt." Er wischte sich über das Gesicht. „Seit 14 Jahren lebe ich mit dem, was ich Albus angetan habe. Ich dachte, ich hätte dieses Kapitel seit langem abgeschlossen. Jetzt merke ich, dass ich nicht mal angefangen hatte, es zu lesen."

„Wie sah er denn aus, dein Abschluss mit dem Thema?"

„Albus wollte es so, es war notwendig, ich tat, was ich tun musste", leierte Severus herunter.

„Hast du in all den Jahren nie darüber nachgedacht?"

„Nein." Er senkte den Blick. „Wenn die Vergangenheit rief, hab ich nicht zugehört. Sie hatte eh nichts Neues zu erzählen."

„Jetzt schon", entgegnete Hermine leise.

„Ja ... Aber ich will es nicht hören."

„Warum nicht?"

Er sah sie an, seine Augen glänzten. „Wozu? Was auch immer ich dabei finde, niemand will noch darüber reden. Außer dir natürlich." Er verdrehte die Augen. „Alle haben es weggeschoben, weil sie das Bedürfnis hatten, sich dankbar zu zeigen, nachdem klar wurde, was ich für den Orden getan habe. Keiner will das wieder aufwühlen. Inklusive mir."

Medicus IIIWhere stories live. Discover now