Kapitel 3.2

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~Seth

Ich vermisste die Zeiten, in denen es gereicht hatte, Nachts fünf unterqualifizierte Leute vor das Internat zu stellen, um hunderte Schüler zu beschützen. Mittlerweile war die Anzahl an Vasanisten-Gruppen und vor allem die der Rebellen stark gestiegen, sodass Estelle auch mich ständig nachts vor das Internat stellte. Heute in Begleitung von Dawson- das würde eine verdammt lange Nacht werden. Im Augenblick ließen sich keine Vasanisten blicken, daher hatte Dawson seine liebste Freizeitbeschäftigung aufgenommen und nervte mich.
,,Weißt du, was ich an dir wirklich bewundernswert finde?", fragte er in diesem Moment.

,,Meine bezaubernden Augen?", gab ich genervt zurück.

,,Nein, die Tatsache, dass du keine Nackenschmerzen hast", antwortete er.  Ach, deshalb hielt er den Kopf schon die ganze Zeit so seltsam...

,,Jahrelanges Training, Hasi", erwiderte ich und konnte es natürlich nicht lassen, ihm kräftig auf den Nacken zu klopfen. Er zuckte merklich zusammen. ,,Arschloch", brummte er.
Ich lehnte mich gegen die Außenwand des Internats und verschränkte die Arme vor der Brust. Mir gefiel diese Aufgabe nicht. Vor einigen Wochen wäre das möglicherweise noch anders gewesen, aber dieses gedankenlose Abschlachten ging mir aktuell gegen den Strich. Ich wollte mehr über die Hintergründe der Rebellion erfahren, welche Art von Menschen dahinter steckte. Das konnte ich nicht, wenn ich mit dutzenden Vasanisten-Jägern hier herumhing und von mir erwartet wurde, alles zu töten, was mir unter die Augen trat. Zumal ich das Feuer nicht verwenden wollte, ich musste vermeiden, dass das Bedürfnis, Energie aufzuladen erneut entstand. Allerdings würde ich mich anlügen, wenn ich behauptete, dass ich es nicht trotzdem spürte. Es war eine kleine Stimme im Hintergrund, aber sie war da. Und sie sehnte sich nach diesem Gefühl von ungeheurer Macht.

,,Woran denkst du gerade?", fragte Matt, der sich irgendwann zwischen meinen Gedankengängen neben mich gestellt haben musste.
Ich drehte den Kopf in seine Richtung. ,,Darüber, ob das Sabaton Konzert den Auftritt gestern wert war."
Matt zog die Mundwinkel herunter, aber bevor er etwas darauf erwidern konnte, mischte sich Dawson ein. ,,Er hat dich mit Konzert-Tickets geködert?"

,,Erpresst."

,,Verhandelt", verbesserte Matt.

,,Also verdanken wir dieser Erpressung Seth Cobain?", fragte Dawson interessiert. Dieser kleine Mistkerl. Mein sowieso schon viel zu kurzer Geduldsfaden wurde in diesem Moment  kritisch gespannt.
,,Nenn mich noch einmal so", zischte ich, ,,und ich schwöre, ich werde dir die oberste Hautschicht abziehen."
Ich war mir nicht sicher, weshalb ich heute so gereizt war. Möglicherweise, weil ich heute Nacht nicht allzu gut geschlafen hatte und Dawson im Allgemeinen eigentlich nur den Mund öffnen musste, um mich in die nötige Stimmung zu versetzen, ihn qualvoll töten zu wollen.

,,Häuten? Das ist aber nicht sehr freundlich, Kurtsohn."

Das war der Moment, indem sich mein letztes bisschen Selbstbeherrschung auf Nimmerwiedersehen verabschiedete. Ich stürzte mich auf Dawson, fest entschlossen, etwas zu tun, das ich schon vor sehr langer Zeit hätte tun sollen -dem Bastard das Herz heraus reißen, oder so-, wurde allerdings von zwei lauchigen, aber erstaunlich kräftigen Armen zurückgezerrt. ,,Seth, verdammt nochmal, beruhig dich", vernahm ich Matts Stimme.

,,Lass mich los", fauchte ich. ,,Ich muss ihm den Arm ausreißen."
Ich wusste ehrlich nicht, weshalb ich heute so mordlustig drauf war. Vielleicht, weil sich Junkie-Seth langsam wieder meldete. Das war nicht gut. Gar nicht gut.

Dawson zog die Augenbrauen hoch. ,,Was ist denn mit dem los?", fragte er Matt. Kritisch beäugte er mich, als wäre er ein durchgeknallter Arzt, der mich diagnostizieren wollte. ,,Vielleicht hat er Spliss."

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt