Kapitel 11.6

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~Seth

Du hättest die Welt veränderen können, Seth. Aber der Weg, den du gewählt hast, wird dich auf eine kurze Straße führen.

Jetzt war es also offiziell. Die Götter würden versuchen, mich umzubringen. Die Götter, die sich schon die ganze Zeit vor mir versteckten. Ich ballte die Hand zur Faust. Sollten sie es doch versuchen. Wir hatten Krieg. Und ich würde nicht klein beigeben.
Eine Sache des Gesprächs war mir allerdings im Gedächtnis geblieben. Cat. Darüber zerbrach ich mir schon die ganze Zeit den Kopf. Sie würde keine Rebellin werden. Sie hatte es gehasst, eine Vasanistin zu sein. Sie würde für die Internate kämpfen. Immer.

Aber Cat wollte mich ohnehin nicht. Das hatte sie noch nie. Dieser Gedanke schmerzte nicht mehr so sehr, wie er es früher getan hatte. Wenn sie mit Hasi glücklich war, war das schon okay. Irgendwie. Zur Hölle.

Ich hörte, wie sich draußen Schritte näherten. Die Tür wurde geöffnet und Kains massive Gestalt schob sich in den Raum. ,,Alles okay?", erkundigte er sich. ,,Ich habe etwas krachen gehört."

,,Alles bestens", erwiderte ich. ,,Ich musste nur deine Bürste werfen."

Stirnrunzelnd blickte er auf die Bürste, die in der Ecke auf dem Boden lag und seufzte. ,,Du tätest besser daran, Bürsten zu benutzen, statt sie zu werfen", bemerkte er.

,,Ach, so war das", erwiderte ich ironisch. ,,Ich komme da immer durcheinander."

Er schenkte mir ein kurzes Grinsen. ,,Und weshalb genau musstest du meine Bürste werfen?"

Ich zog an einem Finger, der daraufhin laut knackend in sein Gelenk einrastete. Ich wiederholte den Vorgang, bis ich bei Finger Nummer drei aufsah. ,,Ich brauchte etwas, das ich nach Zeus werfen konnte", erklärte ich sachlich.

Kain starrte mich ungläubig an. Man sah ihm an, wie seine Hirnzellen einen Moment arbeiteten, dann öffnete er den Mund. ,,Du hast meine Bürste nach Zeus geworfen?", hakte er nach.

Konzentriert blickte ich wieder auf meine Finger und setzte den Vorgang des Knackens fort. ,,Ja, und dein Haargummi", ergänzte ich.

Mit noch immer gerunzelter Stirn schüttelte er den Kopf.

,,Warum zur Hölle war Zeus hier? Und weshalb existieren dieses Appartement, dieses Gebäude und meine Bürste trotzdem noch?", fragte er irritiert.

Unbewusst ballte ich meine Hände wieder zu Fäusten. Weil Zeus ein verdammter Feigling war. Weil er den Trick meines Vaters benutzte, damit ich ihn nicht verletzen konnte. Weil selbst mein Vater Angst vor mir hatte.
,,Weil er Schiss hatte", antwortete ich. ,,Er war hier, weil er mich umstimmen wollte. Hat mich daran erinnert, dass mir ein Platz auf dem Olymp zusteht." Ich schüttelte den Kopf. ,,Er wollte, dass ich der Welt den Rücken zudrehe und mir stattdessen auf dem Olymp ein schönes Leben mache."

Kain warf seine braune Mähne über die Schulter zurück und fokussierte mich mit seinen türkisfarbenen Iriden. ,,Verlockendes Angebot. Und du hast abgelehnt?"

Ich gab einen verächtlichen Laut von mir. ,,Natürlich."

Kain zuckte mit den Schultern. ,,Das ist nicht selbstverständlich."

Womöglich nicht. Aber dennoch- ich würde niemals eines der Geschöpfe werden, die ich mein ganzes Leben verachtet hatte. Eher würde ich sterben. Ich wollte die Welt verändern und das war mit diesen Göttern nicht möglich. Ich war der dreizehnte olympische Gott, aber ich war auch ein Vasanist. Ich war nicht wie sie, würde es niemals sein, selbst wenn ich es wollte.  ,,Ich bin nicht diese Art Gott", sagte ich schließlich.

Kain musterte mich. Sein Blick glitt über mich, dann schüttelte er langsam den Kopf. ,,Nein. Du bist ein Rebell. Du denkst wie einer. Du handelst wie einer."

Er bückte sich und hob die Bürste auf. Kritisch begutachtete er sie - vermutlich um zu überlegen, ob er mich aus dem Fenster werfen wollte oder nicht- und fuhr mit der Hand über den Griff. Dann kam er auf mich zu. ,,Schenk ich dir." Er drückte mir die Bürste in die Hand, dann ging er weiter und verließ den Raum.

Stirnrunzelnd sah ich dabei zu, wie die Tür ins Schloss fiel. Eigenartige Aktion. Ich mochte Kain, ich mochte ihn ehrlich- und die Tatsache, dass er mir seine heilige Bürste hinterlassen hatte, war wohl eine Art Liebesbeweis. Aber manchmal war er schon irgendwie eigenartig. Ich starrte auf die Bürste und musste unwillkürlich grinsen. Gut möglich, dass Kain mich soeben mit dem Zaunpfahl erschlagen hatte. Vorsichtig, als wollte sie mich beißen, legte ich die Bürste wieder auf die Kommode und ließ mich auf's Bett fallen. Zeus war hier gewesen. Das verdammte Oberhaupt der Götter war in diesem Appartement gewesen. Er hatte mir das Angebot gemacht, von dem sämtliche göttliche Wesen nur träumten- ein Platz auf dem Olymp. Mein Platz auf dem Olymp. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte diese verdammte Veränderung. Und wenn ich dafür sterben würde.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt