Kapitel 4.1

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~Cleo

Als ich mich wieder auf den Weg zurück in mein Zimmer machte, hatte ich immer noch nicht verdaut, was ich eben erfahren hatte. Seth war ein Gott- der Typ, der mich ausgebildet hatte, mit dem ich vor kurzem am See gesessen und Bier getrunken hatte war ein Gott. Heilige Scheiße. Ich legte den Weg von Estelles Büro zurück zum Wohnheim rennend zurück, als ich jedoch am Eingang ankam, war ich trotzdem so durchnässt, dass mein T-Shirt gefühlte fünf Liter Wasser aufgenommen hatte. Ich hetzte den Gang entlang- und rannte vor meiner Zimmertür beinahe in Zeke hinein, der gerade im Begriff gewesen war, anzuklopfen. Überrascht sah er zu mir herab. ,,Oh. Hi Cleo."

Ich wackelte mit den Fingern. ,,Hi Zeke."

Zeke warf das Ende seines schwarzen Schals über die Schulter und musterte mich stirnrunzelnd. ,,Alles in Ordnung? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen."
Ich war mir nicht sicher, wie verstört ich aussah, aber Zeke besaß ein ausgebautes Talent, mir Stimmungen vom Gesicht abzulesen. Ihm konnte ich nur selten etwas vor machen. ,,Eher einen Gott", murmelte ich. Im gleichen Moment wurde mir bewusst, dass ich das möglicherweise nicht überall herumposaunen sollte. Allerdings- wenn Seth nicht gewollt hätte, dass die Leute von seiner neu erlangten Göttlichkeit erfuhren, hätte er mich nicht daran teilhaben lassen. Früher oder später würden es die Leute ohnehin erfahren. Zeke sah nun eindeutig verwirrt aus, aber er legte mir eine Hand auf die Schulter und nickte mir aufmunternd zu.  ,,Du schließt jetzt auf, wir organisieren dir ein Handtuch und dann erzählst du mir davon, okay?" Ich nickte langsam, während ich meinen Schlüssel hervorkramte. ,,Klingt gut."

Nachdem wir das Zimmer betreten hatten und ich mir ein Handtuch aus dem Bad genommen hatte, erzählte ich Zeke, was ich eben in Estelles Büro mitbekommen hatte. ,,Seth ist ein Gott. Er kann sich durch die Gegend beamen wie ein Mutant aus X-Men. Das... ist irgendwie verstörend." Ich sah Zeke an, fand in seinem Gesicht aber weniger Überraschung, als ich erwartet hatte.
,,Irgendwie wundert mich das gar nicht so sehr", murmelte Zeke. ,,Seth ist... war ein olympischer Halbgott. Über Halbgöttern stehen nur noch die Götter selbst."

Klang einleuchtend. Irgendwie.  ,,Ich finde den Gedanken, dass ich letztens mit einem Gott am See gesessen und Bier getrunken habe trotzdem leicht verstörend", murmelte ich.
,,Ist er auch." Zekes Mundwinkel hoben sich ein wenig. ,,Ein Gott, unfassbar... Welcher eigentlich? Der Gott des Heavy Metals?"
Ich musste grinsen. ,,Das würde ihm sicher gefallen." Tatsächlich könnte ich mir gut vorstellen, dass Seth diesen Titel für sich beanspruchen würde. Ich erhob mich von meinem Bett und lief Richtung Badezimmer. ,,Ich ziehe mich kurz um", ließ ich Zeke wissen. Als er nickte, stieß ich die Tür auf und schloss sie anschließend hinter mir. Mein T-Shirt war immer noch so nass, dass sich eine Pfütze auf dem Boden sammelte, als ich es auswrang. Ich zog mir trockene Sachen an und verließ das Badezimmer wieder. Zeke saß so auf meinem Bett, wie ich ihn zurück gelassen hatte. Er hatte den Kopf auf einer behandschuhten Hand aufgestützt, dunkelbraune Haare waren ihm ins Gesicht gefallen und unterstrichen die geheimnisvolle Aura, die ihn umgab. Im Herbst fiel es weniger auf, aber seit ich Zeke kannte, trug er stets Schal, Handschuhe und Langarmshirts. Egal wie warm es draußen war und egal, ob er sich im Kampf gegen Vasanisten befand oder nicht. Ich hatte einige Male versucht, ihn darauf anzusprechen, aber er war meinen Fragen ausgewichen und ich wollte ihn nicht weiter in Verlegenheit bringen. Zeke nahm den Kopf vom Arm und sah zu mir auf. ,,Ich mag das T-Shirt", sagte er schließlich lächelnd.
Ich sah an mir herunter. Auf meinem T-Shirt war ein fahrradfahrendes Einhorn abgebildet, Rev hatte es mir vor kurzem geschenkt, weil er meine T-Shirts als zu langweilig befunden hatte. Vermutlich, weil ich bis zu diesem Zeitpunkt keine Einhorn-Shirts besessen hatte. ,,Danke sehr", erwiderte ich. ,,Es wundert mich, dass Rev dich noch nicht mit fahrradfahrenden Einhörnern eingedeckt hat."

Zeke grinste. ,,Oh, du hast ja keine Ahnung. Mir hat er einen Einhorn-Kapuzenpulli, sowie ein großes Plüscheinhorn geschenkt, das neben meinem Bett sitzt und mich gruselig beim Schlafen anstarrt."
Ich lachte.  ,,Okay, ich beschwere mich nie wieder über mein T-Shirt."

,,Besser so." Zeke nestelte am Ende seines Schals herum. ,,Hast du heute Abend eigentlich vor, draußen auszuhelfen?", fragte er.

Ich zuckte mit den Schulter. ,,Keine Ahnung, ich bezweifle irgendwie, dass Seth heute Abend einen Nerv dafür hat, mich zu behüten." Auf der anderen Seite sähe es Seth ähnlich, einen neuen persönlichen Rekord an toten Vasanisten aufzustellen, dieser Beschäftigung schien er gerne nachzugehen, wenn er seine Gedanken ordnen wollte. Ob er dabei allerdings noch Lust hatte, meinen Babysitter zu spielen, war fraglich.
,,Wenn du heute Abend mitkommst, lässt sich Rev bestimmt auch dazu überreden", überlegte Zeke.

,,Yay, machen wir draußen ein cooles Gruppentreffen mit Klatsch, Tratsch und Tod?", murmelte ich.

,,Besser als nur Tod, oder?"

Da hatte er allerdings Recht. Ich hatte zwar keine Ahnung, ob man mich ohne Seths Anwesenheit raus lassen würde, aber ich würde es früh genug merken. ,,Vielleicht möchte Dawson ja das Sorgerecht für mich übernehmen", bemerkte ich.
Zeke lachte und vor meinem inneren Auge erschien ein Bild von Dawson und Seth, Hand in Hand. Götter. Das war schräg und... irgendwie ziemlich lustig. Dawson und Seth als Paar. Wie bezaubernd. Traurigerweise war das mit dem Sorgerecht nicht allzu weit hergeholt. Wenn es darum ging, einen Fuß vor die Mauern des Internats zu setzen, wurde ich behandelt wie ein kleines Kind, das eine Begleitung für den Freizeitpark benötigte.
Zeke erhob sich von meinem Bett. ,,Dann sehen wir uns später?"
Ich nickte. ,,Jepp, tun wir."

Zeke ging zur Tür, drehte sich dort aber nochmal um. ,,Tschüss, Cleo", sagte er, ehe er den Raum verließ und die Tür hinter sich zuzog.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt