Kapitel 18.3

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~Seth

Er stieß die Tür auf und ging vor. Diesmal folgte ich nicht. Mein Herz trommelte gegen meinen Brustkorb, ich wollte einen Schritt rückwärts gehen, aber hinter mir stand der nächste Wachposten. Er stieß mich durch die Tür, woraufhin die Stichwunde in meiner Schulter erneut zu brennen und Pochen begann. Mein Blick glitt umher. Ich kannte dieses Gebäude -  ich kannte es sehr gut.

Es ähnelte einer Halle, in der verdammte Viehshows stattfanden. In der Mitte war eine gerade Fläche von einer Bande begrenzt, hinter der Leute standen. Viehshow traf es gut - den Leuten gefiel es, sich an den Eliminationen und Hinrichtungen zu ergötzen. Sie hatten mich früher immer dabei zusehen lassen. Damals hatte ich noch auf der anderen Seite dieser Bande gestanden.
Mein Puls raste, ich konnte fühlen, wie das Feuer mit dem Blut durch meine Adern rauschte. Es brodelte in mir wie in einem Vulkan, der nicht ausbrechen konnte. Hier würde es also enden?
Ich hatte den Kampf gegen Leandros gewonnen, ich hatte einen verdammten Gott getötet und hier würde ich schließlich sterben? Durch den Rat, den ich mein ganzes Leben verachtet hatte? Mein Blick wanderte über die Leute, die hinter der Bande standen. Rektoren, andere Vertreter der Internate, Vasanistenjäger. Sie alle starrten mich an. Erwartungsvoll, abwertend, schadenfroh. Der Mann vor mir zog mich weiter, er führte mich wie ein Lamm zur Schlachtbank. An der Seite erblickte ich ein Mädchen mit feuerrotem Haar. Es war Cleo. Für einen Moment trafen sich unsere Blicke. Ihrer war nicht schadenfroh. Das Mitleid darin drehte mir den Magen um und ich blickte schnell zur Seite. Dass Dawson neben ihr stand, war mir dennoch nicht entgangen.
Meine Haut brannte unter den wütenden, tobenden Flammen in mir. Ich biss die Zähne zusammen, während ich mich widerwillig weiterziehen ließ. Getrocknetes Blut überzog den Boden unter meinen Stiefeln, ein metallischer Geruch schien in der Luft zu hängen.
Vor dem Rat, der auf einer Art Tribüne thronte, blieb der Mann vor mir schließlich stehen. Er hakte meine Ketten an zwei Ringen an der Bande fest und leinte mich damit an wie ein verdammtes Pferd. Mein Herz schlug so schnell, dass ich das Rauschen meines Blutes in meinen Ohren hörte. Ich drückte die Wirbelsäule durch und zwang mich, dem Vorsitzenden in die Augen zu sehen.

,,Habt ihr jetzt, was ihr wolltet?" Die Worte kratzten in meiner Kehle.

Ich wusste, dass sie mich gehört hatten, aber sie ignorierten es. Natürlich.

Der Vorsitzende räusperte sich und blickte auf mich herab. ,,Seth Dimitriadis, geboren am 31. Oktober 1999, Sohn von Hades und-", er verzog für einen Moment abwertend das Gesicht, ,,Anführer der Rebellen. Er ist des Mordes an einem Gott und Halbgöttern in mehreren Fällen angeklagt. Ihm wird Verrat am Rat und an den Göttern vorgeworfen." Er warf mir einen abwertenden Blick zu. Ich starrte nur zurück. Verrat am Rat und an den Göttern. Das war wohl ihr Hauptproblem. Als würden die Tode irgendwelcher Schüler sie auch nur im Geringsten interessieren.

,,Die Schwere seiner Verbrechen erfordert die Vollstreckung einer Strafe an Ort und Stelle. Der Rat ist sich über das Strafmaß einig, jedoch wird dem Angeklagten die Chance gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern."

Ich schnaubte. Was sollte der Scheiß, wenn sie ihr Urteil ohnehin schon gefällt hatten? Ein bisschen Show für die Zuschauenden? Ein bisschen Schikane? Das würde ich ihnen nicht geben. Ich würde nicht um Gnade betteln - diesen letzten Rest meiner Würde konnten sie mir nicht nehmen.

,,Seth Dimitriadis." Der Ratsvorsitzende sah betont auf mich herab. ,,Ihnen wird vorgeworfen, den Gott der Schmiedekunst Hephaistos getötet zu haben. Was haben Sie dazu zu sagen?"

Ich zuckte mit den Schultern. ,,War echt ekelhaft, sein Herz mit bloßen Händen zu zerquetschen."
Mein Blick wanderte über die Rektoren und blieb schließlich an Estelle hängen, die schnell zur Seite sah. Es kam mir vor, als wäre es Jahre her, dass ich das letzte Mal in ihrem Büro gesessen hatte. Sie hatte es mir immer angedroht - dass das hier eines Tages passieren würde. Ich sah wieder zum Vorsitzenden und beobachtete mit Genugtuung, wie sich eine Zornesfalte an seiner Stirn bildete. Und dennoch stand ich hier angeleint wie ein verdammter Hund. Ich hatte keine Ahnung, wie ich hier rauskommen sollte. Ich wusste es wirklich nicht.

Nummer 13 - Todessohn IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt